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Digitalisierung der Medizin

Am 30. Juni trafen sich 180 Experten in den Räumen des Bayerischen Wirtschaftsministeriums zum Symposium „Digitalisierung der Medizin in Bayern“. Franz-Josef Pschierer, Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium, erklärte zum Auftakt: „Bayern soll zur Modellregion werden für die Medizin der Zukunft. Dazu brauchen wir den Schlüssel der Digitalisierung.“ Ministerialdirigent Herwig Heide vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege stellte fest: „Im Vergleich zu anderen Lebensbereichen hinkt die Digitalisierung der Medizin hinterher.“ Er verwies aber auch auf Erfolge, z.B. in der Telemedizin für Schlaganfallpatienten.

In den Fachvorträgen und Diskussionen wurden die Expertisen und Projekte aus Bayern vorgestellt. Es wurden auch mehrere Barrieren und Handlungsfelder benannt. Zum einen fehle in Deutschland die klare politische Unterstützung für genomische Medizin. Prof. Heribert Schunkert, Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums München, zeigte in seinem Vortrag den enormen Wissenszuwachs über die genomischen Ursachen von Krankheiten. Bei häufigen Krankheiten tragen viele hundert Gene zum Erkrankungsrisiko bei. Das Wissen, wie diese seltenen Mutationen interagieren, ist aber noch sehr begrenzt. Dafür sei die Auswertung vieler tausend Genome und Krankenakten erforderlich. Andere Länder haben dafür große öffentlich geförderte Initiativen wie die „Precision Medicine Initiative“ in den USA, das  „100,000 Genomes Project“ im Vereinigten Königreich oder das kürzlich verkündete Projekt „Médicine Génomique 2025“ in Frankreich, das mit über 600 Mio € ausgestattet ist. Prof. Schunkert forderte etwas Vergleichbares auch für Deutschland, um eigene Entwicklungen unabhängig von anderen vorantreiben zu können.

Von Datenschutz zum Lebensschutz

Eng damit verknüpft sind die Anforderungen des Datenschutzes, der in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern restriktiver ist. „Wie viele Menschen sollen noch am Deutschen Datenschutz sterben?“, fragte provokant Prof. Hans Lehrach vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin. Auch die Münchner Onkologin Prof. Nadja Harbeck sprach sich für eine Reform des Datenschutzgesetzes aus. Dies sei nach ihrer Erfahrung im Interesse der Patienten, die selbst zur Forschung beitragen und von genetischen und molekularbiologischen Erkenntnissen profitieren möchten. Die Freiwilligkeit sollte dabei im Vordergrund stehen und dadurch die individuellen Wünsche stärker zum Tragen kommen. Dr. Fabian Praßer von der Technischen Universität München stellte in seinem Vortrag verschiedene Methoden der Anonymisierung vor. Er erläuterte, dass Datenschutz immer eine Abwägung sei zwischen dem Risiko der Re-Identifikation und der weiteren Verwendbarkeit der Daten. Traudl Baumgartner, Vorsitzende der Patientenorganisation  BRCA-Netzwerk e.V., betonte die Bedeutung der Transparenz. Es müsse klar sein, wer welche Daten, zu welchem Zweck und zu wessen Nutzen, erhebe. In der Diskussion kommentieren mehrere Teilnehmer, dass es eine tiefe Diskrepanz gäbe zwischen dem, was der medizinischen Forschung erlaubt sei und dem, was Internetfirmen in ihren Nutzungsbedingungen regeln. Dass diese von einer Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert werden, spreche für eine Reform, die sowohl Schutz als auch Erkenntnisgewinn angemessen berücksichtigt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stamme aus den 80er Jahren, als die Gesellschaft über die Volkszählung diskutierte. Es müsse dringend dem heutigen Nutzungsverhalten im Bereich moderner digitaler Medien angepasst werden.  

Als weiteres Handlungsfeld wurde die IT-Infrastruktur erkannt. Firmenvertreter von IBM und SAP stellten Systeme vor, die den Arzt bei seinen Entscheidungen unterstützen können. Eine Herausforderung dabei ist die Heterogenität der Daten, die Gene, Proteine, Gewebeschnitte, Medikation und weitere Faktoren beinhalten. Doch auch in der Standardisierung der Prozesse und Analysen liegt noch viel Handlungsbedarf.

Organisator des Symposiums war die Netzwerkorganisation BioM. „Nur interdisziplinär werden wir Erfolg haben und mit Hilfe der Digitalisierung die Medizin zum Wohle des Patienten revolutionieren,“ sagte Prof. Dr. Horst Domdey, Geschäftsführer der BioM und Sprecher des Bayerischen Biotechnologie Clusters. Daher freue er sich, dass das Symposium so viele Vertreter aus Medikamentenentwicklung, Grundlagenforschung, klinischer Forschung und Patientenversorgung miteinander vernetzt habe. Partner der Veranstaltung war das Zentrum für Digitalisierung Bayern (ZD.B). Der wissenschaftliche Sprecher Prof. Christoph Reiners rief die Teilnehmer dazu auf, die Angebote des ZD.B zu nutzen, um sich zu vernetzen und gemeinsame Projekte zu starten.

www.zentrum-digitalisierung.bayern

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