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65 Mio Euro für Kaia Health - Konstantin Mehl im Interview

Konstantin Mehl, Kaia Health

Konstantin Mehl, CEO und Mitgründer von Kaia Health © Kaia Health

Kaia Health

© Kaia Health

Das Münchner Start-up Kaia Health hat eine 65 Mio. Euro Series C Finanzierungsrunde abgeschlossen. Das Unternehmen entwickelt digitale Therapien gegen Rückenschmerzen, Arthrose und die chronisch obstruktive Lungenkrankheit COPD. Die Gelder will das Unternehmen verwenden, um die Behandlung von muskuloskelettalen Beschwerden (MSK) und COPD mit digitalen Produkten zu verbessern und einen breiteren Zugang zu wirksamen Therapien zu ermöglichen.

Wie das genau aussehen soll und über weitere Pläne von Kaia Health, dazu sprach BioM mit CEO und Mitgründer Konstantin Mehl.

BioM: Kaia Health bietet digitale Therapieprogramme an, um Menschen mit chronischen Rückenschmerzen und der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung COPD zu helfen. Wie funktioniert das genau?
Für beide Indikationen digitalisieren wir eine Therapie, welche in der klassischen Medizin als Gold-Standard in der Behandlung von chronischen Patienten angesehen wird und tief in Leitlinien verankert ist: Für Rückenschmerzen ist es die multimodale Schmerztherapie, bei COPD die multimodale pulmonale Rehabilitation. Diese Therapien zeigen jeweils hervorragende Resultate, sind aber im Offline-Setting aufgrund der komplexen und daher auch teuren Intervention und dem beschränkten Angebot an Centers zur Durchführung nur für einen Bruchteil der Patienten zugänglich, welche davon profitieren können. Wir schliessen diese Versorgungslücke.

Nach einer Serie-B-Finanzierungsrunde im Juni 2020 über rund 23 Mio Euro hat Kaia Health nun eine weitere Runde über 65 Mio Euro abgeschlossen. Das Geld soll in die Weiterentwicklung Eurer digitalen Therapieprogramme fließen. Wie genau soll das aussehen?
Wie investieren einerseits viel in die Nutzererfahrung und die Funktionalität von den Produkten, indem wir das Entwicklungs- und Designteam stark ausbauen, unseren KI-basierten Bewegungscoach weiter verbessern und die technologische und medizinische Forschung stark ausbauen. Das bedeutet ein besseres Produkt für unsere Nutzer mit einer verbesserten Evidenz. Wir schauen uns auch an, für welche zusätzliche Indikationen wir Therapien anbieten könnten. Andererseits bleiben wir unserer Mission treu, die bestmöglichste Therapie so vielen Leuten wie möglich zugänglich zu machen, in dem wir unsere kommerzielle Teams in den USA und in Deutschland vergrössern und das Produkt je nach Land entweder durch selektive Verträge mit Arbeitgebern oder durch nationale Erstattungssysteme mehr Patienten zur Verfügung stellen, ohne dass sich diese an den Kosten beteiligen müssen.

Was unterscheidet Eure App von den vielen anderen Trainings-Apps auf dem Markt?
Wir verstehen uns nicht als Trainings-Apps, sondern als multimodale, digitale Therapie. Wir verbinden alle Elemente der klassischen multimodalen Therapie, welche ein Patient im Offline Setting erhalten würde. Dies beinhaltet eine Patientenschulung, Physische Übungen und Psychosoziale Übungen. Wir digitalisieren diese, erweitern aber die Therapie auch dort mit digitalen Technologien wo es am meisten Sinn macht. Das ist z.B. der Fall bei motivierenden Funktionen wie individualisierte Push-Reminders oder Fortschritts-Graphiken und auch bei unserem patentierten Kamera-Tracking, wo wir den User in Echtzeit bei der Übungsausführung anleiten, ähnlich wie wenn man persönlich beim Physiotherapeuten ist. Außerdem sind wir zertifizierter Medizinprodukte-Hersteller und haben die Wirksamkeit unserer Therapien in den grössten Studien in unserem Bereich nachgewiesen.

Die Schmerztherapie über die Kaia App wurde in Kooperation mit dem Zentrum für Interdisziplinäre Schmerztherapie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München entwickelt. Wie evidenzbasiert ist Euer Trainingsprogramm?
Die Prüfung und Veröffentlichung von medizinischer Evidenz sehen wir bei Kaia als strategischen Wettbewerbsvorteil und wir haben ein dediziertes Team, welches eine Evidenz-Strategie definiert, die klinische Entwicklung der Produkte begleitet und - in Zusammenarbeit mit externen Institutionen - unsere Produkte regelmäßig in verschiedenen Kontexten validieren lässt. Zahlreiche wissenschaftliche begutachtete Studien haben unabhängig voneinander einen positiven Wirkungsnachweis gezeigt. Neben der veröffentlichen Evidenz führen wir auch regelmäßig Usability Studies, Pilotprojekte mit verschiedenen internationalen Stakeholders und retrospektive Daten-Studien durch.

Neben der Behandlung von Rückenschmerzen ist auch die Therapie der Lungenkrankheit COPD ein Anwendungsfeld der Kaia App. Könnten auch COVID-19 Patientinnen und Patienten mit eingeschränkter Lungenfunktion als Folge der Virus-Erkrankung von der Nutzung profitieren?
Dies ist ein Feld, welches wir noch nicht medizinisch geprüft haben und wir sehen momentan noch keine Anhaltspunkte, dass unsere Therapie für diese Patientenpopulation effektiv sein kann.

Werden die Kosten für die Anwendung Eurer Programme bereits von den Krankenkassen hier in Deutschland übernommen?
Wir haben einige Selektivverträge mit Krankenkassen und -Versicherungen und planen mit zwei Produkten noch in diesem Jahr im DiGA Verzeichnis gelistet zu werden.

Ihr seid in Deutschland bzw. Europa und auch in den USA vertreten. Wie viele Nutzer habt Ihr jeweils?
Wir haben schon über 500’000 Nutzer global und die Verteilung ist etwa gleichmäßig zwischen USA und Europa.

Die App basiert auf der Nutzung von Künstlicher Intelligenz, auch um die Übungen der Nutzer zu überprüfen. Dafür wurde die KI an Videos von Nutzern während der Ausführung der Übungen trainiert. Welche datenschutzrechtlichen Hürden galt es hier zu überwinden?
Datenschutz ist für uns als Medizinproduktehersteller ein sehr wichtiges Anliegen und wir befolgen die sehr strengen Anforderungen von digitalen Gesundheitsanwendungen in Deutschland und von HIPAA in den USA. Dies ist natürlich für das Sammeln von Videodaten für das Training des KI-Algorithmus sehr wichtig und wir haben, gemeinsam mit Datenschutz-Experten, eine Lösung finden müssen: Unser Computer Vision Feature kann verwendet werden, ohne dass wir Videodaten aufzeichnen. Alle Berechnungen erfolgen lokal auf dem Gerät des Nutzers und keine Daten müssen an unsere Server geschickt werden. Nur wenn uns der Nutzer explizit die Erlaubnis gibt, und dies muss bei jeder Session erneut passieren, verwenden wir die Daten um unseren Algorithmus weiter zu entwickeln.

Was Sind Eure Pläne für die nächsten 2 Jahre? Ist ein Exit das Ziel?
Unser Ziel ist es, unsere Lösungen so vielen Patienten wie möglich zugänglich zu machen und dabei Kaia als eigenständige und profitable Firma zu etablieren.

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

Die Finanzierungsrunde wurde von einem nicht näher genannten führenden Wachstumsfonds geleitet und gemeinsam mit den bestehenden Investoren wie Optum Ventures, IdInvest, 3VC, Balderton Capital, Heartcore Capital, A Round Capital und Symphony Ventures, dem Investment-Vehikel des US Profi-Golfers Rory McIlroy, abgeschlossen.