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Adipositas und die zentrale Rolle des Gehirns

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Fettleibigkeit betrifft weltweit über eine Milliarde Menschen – doch die Ursachen sind komplexer als reine Ernährungsgewohnheiten. Eine neue Studie on Helmholtz Munich, dem Universitätsklinikum Tübingen und dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) zeigt: Das Gehirn spielt eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Adipositas und Typ-2-Diabetes.

Der Anteil adipöser Menschen hat in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen und stellt das Gesundheitswesen weltweit vor große Herausforderungen. Die Insulinempfindlichkeit des Gehirns steht dabei in direktem Zusammenhang mit langfristiger Gewichtszunahme und ungesunder Körperfettverteilung.

Die Studie unter Leitung von Prof. Stephanie Kullmann aus der Tübinger Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie zeigt, dass bereits eine kurzzeitige Ernährung mit hochverarbeiteten, kalorienreichen Lebensmitteln gravierende Veränderungen im Gehirn gesunder Menschen bewirken kann.

"Unsere Ergebnisse zeigen erstmalig, dass bereits eine kurzzeitige Einnahme von hochverarbeiteten, ungesunden Lebensmitteln (z. B. Schokoriegel und Chips) zu einer gravierenden Veränderung im Gehirn von gesunden Menschen führt und dies als Ausgangspunkt von Adipositas und Typ-2-Diabetes gelten kann", erklärt Prof. Kullmann.

Normalerweise hat Insulin im Gehirn eine appetitzügelnde Wirkung. Doch insbesondere bei Menschen mit Adipositas funktioniert diese Regulation nicht mehr richtig, sodass eine Insulinresistenz entsteht. Die Ergebnisse zeigen, dass das Gehirn bei den gesunden Studienteilnehmern eine ähnliche Abnahme der Empfindlichkeit gegenüber Insulin nach kurzzeitiger hoher Kalorienzufuhr, wie bei Menschen mit krankhaftem Übergewicht.

Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie: Der Effekt hält sogar eine Woche nach der Rückkehr zu einer ausgewogenen Ernährung an. "Dieser Effekt ist sogar eine Woche nach Rückkehr zu einer ausgewogenen Ernährung zu beobachten", ergänzt Prof. Kullmann, die stellvertretende Leiterin der Abteilung Metabolic Neuroimaging beim DZD-Partner Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) von Helmholtz Munich an der Universität Tübingen ist.

Fokus auf das Gehirn als Ursprung von Adipositas

"Wir gehen davon aus, dass sich die Insulinreaktion des Gehirns an kurzfristige Änderungen der Ernährung anpasst, bevor überhaupt eine Gewichtszunahme eintritt, und somit die Entwicklung von Übergewicht und weiterer Folgeerkrankungen begünstigt", schlussfolgert Prof. Andreas Birkenfeld, Ärztlicher Direktor der Inneren Medizin IV, Direktor des IDM und DZD-Vorstand sowie Letztautor der Studie. Er fordert, dass die Forschung zur Rolle des Gehirns in der Entstehung von Adipositas weiter intensiviert werden muss.

Die Studienergebnisse im Detail

Die Studie untersuchte 29 normalgewichtige männliche Teilnehmer, die in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Eine Gruppe erhielt fünf Tage lang zusätzlich zu ihrer gewohnten Ernährung 1500 kcal in Form von hochverarbeiteten Snacks. Die Kontrollgruppe nahm keine zusätzlichen Kalorien zu sich. Mittels Magnetresonanztomographie (MRT) wurden die Insulinempfindlichkeit im Gehirn sowie der Fettgehalt der Leber analysiert.

Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten Anstieg des Leberfetts nach der fünftägigen zusätzlichen Kalorienzufuhr. Besonders bemerkenswert ist, dass die reduzierte Insulinempfindlichkeit im Gehirn auch eine Woche nach der Rückkehr zur normalen Ernährung weiterhin nachweisbar war – ein Effekt, der bislang nur bei krankhaft übergewichtigen Menschen beobachtet wurde.

Die Erkenntnisse dieser Studie könnten langfristig dazu beitragen, neue präventive und therapeutische Ansätze zur Bekämpfung von Adipositas und deren Folgeerkrankungen zu entwickeln.