Mit rund drei Millionen Euro fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ein Projekt, das die Unternehmen BianoGMP, IFB, Ionovation und CAM-D Technologies, sowie das außeruniversitäre Forschungsinstitut iba und die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) bis Ende 2025 umsetzen wollen. Entwickelt werden sollen mRNA-Wirkstoffe, die nicht gespritzt, sondern einfach geschluckt werden. Die Erfolgsgeschichte der Covid-19-Impfung mit der mRNA-Technologie soll damit weitergehen. Helfen sollen bei dem Projekt Mikroorganismen, die normalerweise in Vulkangebieten leben.
Diese exotischen Mitarbeiter sollen die größte Hürde für eine Schluckimpfung mit mRNA nehmen: Bevor Vakzine im Darm ihre schützende Wirkung entfalten können, müssen sie zunächst den Magen passieren. Dieses Organ ist aber an einer der extremsten Stellen im Körper. „Der Magen ist nicht nur sehr sauer, sondern wimmelt auch vor Enzymen, die unsere Nahrung in ihre Bestandteile zerlegen“, erklärt Prof. Dr. Dagmar Fischer. Die Inhaberin des FAU-Lehrstuhls für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie leitet den zentralen Bereich Herstellung im Schluckimpf-Projekt „TEL-DrugDelivery“, in dem „TEL“ als Abkürzung für Tetraetherlipide steht.
Tetraetherlipide wiederum sind Biomoleküle, die entscheidend für das Überleben von Mikroorganismen in unwirtlichen Vulkangebieten sind. Diese müssen nicht nur sehr hohen Temperaturen trotzen, sondern auch extremen Säurebädern, die fast alle Biomoleküle zerstören. Zellwände von normalen Bakterien, die aus Lipiden, also wasserunlöslichen Stoffen, bestehen, werden von diesen Säuren rasch zersetzt. Archaeen dagegen widerstehen ätzenden Säuren mit Hilfe der TEL-Spezial-Lipide..
Neue Speziallipide als sichere Verpackung für mRNA-Impfstoffe
Doch auch bei einer Impfung in den Oberarm-Muskel ist es nötig, den Impfstoff in Lipide zu verpacken – auch wenn sie kein Säurebad des Magens überstehen müssen. „Die aus dem Biomolekül ‚mRNA‘ bestehenden Impfstoffe sind sehr empfindlich, selbst ohne starke Säure werden sie bereits nach wenigen Minuten in ihre Bestandteile zerlegt“, erklärt der Koordinator des Gesamtprojektes Dr. Tobias Pöhlmann vom Unternehmen BianoGMP.
Aus diesem Grund wird die mRNA in Lipide verpackt, die nicht nur den Impfstoff stabilisieren, sondern ihn auch in die Zellen des Körpers einschleusen können. Dort wird bei einer mRNA-Impfung ein bestimmtes Protein des Erregers nach der Bauanleitung der mRNA hergestellt. Damit lernt das Immunsystem Teile des Virus kennen und beginnt sie zu bekämpfen, sobald sich die geimpfte Personen mit einem Covid-19-Erreger infiziert.
Schluckimpfung hat viele Vorteile
Im Vergleich zu einer Impfung via Injektion, bietet jedoch eine Schluckimpfung erhebliche Vorteile. So kann der Impfstoff in Kapseln verpackt oder zu Tabletten gepresst werden, die bei normalen Temperaturen aufbewahrt werden können. Die bisherigen Covid-19-Vakzine müssen dagegen tiefgekühlt transportiert werden, was schon in Deutschland einige Herausforderungen birgt, in vielen Ländern des globalen Südens und vor allem in abgelegenen Regionen aber kaum möglich ist. Auch die relativ aufwändige Injektion entfällt, während eine Schluckimpfung bei den allermeisten Menschen auch ohne große Anleitung klappt.
Die TEL-Spezial-Lipide sollten für einen guten Säureschutz auf dem Weg durch den Magen sorgen. Diese werden die erfahrenen FAU-Kooperationspartner mit nachhaltigen Technologien produzieren und auch Computerprogramme einsetzen, die mit Hilfe von Algorithmen theoretisch berechnen, wie die TEL chemisch verändert werden müssen. Die modifizierten TEL baut das Team von Dagmar Fischer dann zu kleinen „Lipid-Behältern“ zusammen, die „Archaeosomen“ genannt werden.
Diese Systeme prüft das Projekt dann zusammen mit der mRNA auf Herz und Nieren. Am Ende des Projektes wollen die FAU und ihre Partner einen mRNA-Impfstoff zum Beispiel gegen Covid-19 in Händen halten, der nicht nur ideal für eine Schluckimpfung ist, sondern der auch in großen Teilen nachhaltig aus Mikroorganismen hergestellt wurde. Ziel ist eine Plattform, die auch andere Impfstoffe verpackt, beispielsweise mRNA-Impfstoffe gegen andere gefährliche Infektionen und gegen Tumore.