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Expertendialog Arzneimittel: Gespräch mit Pharmaunternehmen und -verbänden über aktuelle Versorgungsengpässe und klinische Forschung

Foto: © Elke Neureuther/StMWi

Einiges zu besprechen hatten im „Expertendialog Arzneimittel“ am 31. Januar 2023 in München der Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Mit Vertretern der Pharmaindustrie und -verbände wurde das Finanzmarktstabilisierungsgesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinStG) und das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) sowie deren Auswirkungen diskutiert.

Der „Expertendialog Arzneimittel“ findet im Rahmen des Bayerischen Pharmagipfels statt, bei dem das Bayerische Wirtschafts- und Gesundheitsministerium seit 2015 im engen Dialog mit den Pharmaunternehmen und -verbänden steht. Nach einem Bundesratsantrag zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger seine Kritik in München erneuert: „Das neue Gesetz vertreibt innovative Pharmaunternehmen aus Deutschland. Die Folgen sind weniger neue Arzneimittel. Mit seinem neuen Gesetzesvorstoß konterkariert Bundesminister Lauterbach alle Bestrebungen zur Stärkung der Arzneimittelproduktion in Europa.“

Das GKV-FinStG und die Weiterentwicklung des Gesetzes zur Nutzenbewertung und Preisfindung bei neuen Medikamenten (AMNOG), sehen Neuregelungen vor, die unter anderem einem erhöhten Herstellerabschlag für patentgeschützte Arzneimittel, die Verkürzung der freien Preisfestsetzung von neu zugelassenen Arzneimitteln auf sieben Monate sowie die Senkung der Umsatzschwelle für Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen für die Nutzenbewertung von 50 auf 30 Millionen Euro beinhalten. Zudem sieht das EU-Arzneimittelrecht künftig neue Regularien vor, die die Marktexklusivität, insbesondere für „Orphan drugs“ massiv einschränken sollen.

Die neuen gesetzlichen Regelungen nähren die Befürchtungen der Industrie im internationalen Wettbewerb weiter zurückzufallen. Diese sehen als Folgen weniger Arzneimittel und die bereits jetzt zu spürenden Auswirkungen von massivem Kostendruck, Kürzungsprogrammen und Rabatten: Weitere Versorgungsengpässe wie sie aktuell bei Kinder-Arzneimitteln, Antibiotika und Krebsmedikamenten bereits vorherrschen, würden konkret in einer Verschlechterung der Arzneimittelversorgung in Deutschland münden. Innovative Pharmaunternehmen aus Deutschland würden vertrieben und Produktion und Handel noch mehr ins Ausland verlagert.

„Der Bund muss endlich eine Arzneimittelstrategie in Angriff nehmen, um der innovativen Gesundheitswirtschaft in Deutschland mit ihren enormen Potenzialen eine Marktchance zu eröffnen. Für mich stehen die Sicherstellung der Versorgung der Patienten mit Arzneimitteln, der Erhalt und die Verlagerung der Arzneimittelproduktion nach Europa sowie die Gestaltung geeigneter Rahmenbedingungen an erster Stelle, um den Forschungs- und Produktionsstandort Deutschland attraktiv und konkurrenzfähig zu machen,“ so Hubert Aiwanger. „Wir brauchen in Europa eine höhere Widerstandsfähigkeit bei der Arzneimittelverfügbarkeit. Die Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen sind ein hochinnovativer Wirtschaftszweig, den wir unbedingt unterstützen müssen und werden. Das sollte auch der Bund verstehen.“

Einigkeit herrschte bei den Vertretern, dass schnell gehandelt und gegengesteuert werden muss. Die Taskforce Arzneimittelversorgung plant ein Papier zur aktuellen Lage, die beim Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt werden soll.

Holetschek erläuterte: „Das langfristige Ziel unserer Taskforce ist es, Vorschläge für eine nachhaltig stabile Arzneimittelversorgung zu machen. Über die Ergebnisse werden wir bei unserem bayerischen Pharmagipfel beraten, der für dieses Frühjahr geplant ist. Wir werden unsere Vorschläge aber auch auf Bundesebene einbringen. Ein eigener, breit angelegter Pharmadialog des Bundes wäre dafür das ideale Forum.“

Auch ein Positionspapier zur klinischen Forschung in Deutschland, welches unter der Leitung des StMWi und BioM vorangebracht wurde, konnte von den Teilnehmern finalisiert werden. Dieses soll zeitnah im Rahmen des nächsten Bayerischen Pharmagipfels am 19. April vorgestellt werden.

Zur Stärkung der Wertschöpfungskette der europäischen Pharmaindustrie und Ausbau von Produktionskapazitäten beteiligt sich Deutschland zudem bei den Important Projects of Common European Interest Health (IPCEI Health). Im Rahmen dessen sollen interessierte Pharmaunternehmen auf die Ministerien zugehen.