Professor Dr. Marcus Conrad von Helmholtz Munich hat den Paul-Martini-Preis für Erkenntnisse zur Ferroptose, einer besonderen Form zellulärer Selbstzerstörung, die den Weg zu neuen Medikamenten für die Krebstherapie und Organtransplantationen weisen könnte, erhalten. Der Preis wird jährlich von der Paul-Martini-Stiftung, Berlin, für herausragende Leistungen in der klinisch-therapeutischen Arzneimittelforschung verliehen. Er ist mit 50.000 Euro dotiert.
Prof. Dr. Marcus Conrad ist Direktor des Institute of Metabolism and Cell Death bei Helmholtz Munich und seit Oktober 2024 auch Professor an der Technischen Universität München (TUM). Er hat festgestellt, dass Zellen ständig grundsätzlich zur Ferroptose bereit sind, aber zumeist durch ein oder mehrere Inhibitoren daran gehindert werden: Zu diesen zählen das Enzym Glutathionperoxidase 4 (GPX4) und das „Ferroptosis Suppressor Protein 1“, kurz FSP1.
Schon an der Entdeckung der Ferroptose war Conrad entscheidend beteiligt. Seither hat er sich der immer detaillierteren Aufklärung ihres Ablaufs und von Verbindungen zu anderen Prozessen im Körper verschrieben. Die Ferroptose reiht sich ein in die verschiedenen Arten zellulärer Selbstzerstörung, bei der sich in vielzelligen Organsimen einzelne Zellen in bestimmten Situationen zugunsten der Lebensmöglichkeiten des Gesamtorganismus „opfern“. Eisenionen spielen in dem Prozess eine wichtige Rolle.
In mehreren medizinischen Feldern spielt Ferroptose eine negative Rolle: So führt sie unter anderem zu Gewebeschäden bei zeitweiliger Unterbrechung der Sauerstoffversorgung, etwa im Rahmen einer Organtransplantation, eines Schlaganfalls oder eines Herzinfarkts. Weiter ist sie an der Entstehung neurodegenerativer Krankheiten, wie Morbus Alzheimer, Chorea Huntington oder Amyotropher Lateralsklerose beteiligt. Conrad entwickelte deshalb schon in den 2010er-Jahren den ersten in vivo wirksamen Ferroptose-Inhibitor.
Medizinisch erwünscht ist Ferroptose hingegen, wenn sich durch sie Krebszellen eliminieren lassen. Conrad und sein Team entwickelten daher eine Reihe von FSP1-Inhibitoren, die Zellen anfällig für Ferroptose machen und hierdurch tatsächlich das Tumorwachstum in in- vivo-Modellen reduzieren können. Von diesen Ergebnissen berichten sie in zwei der prämierten Publikationen. In einer dritten zeigen sie, dass auch der andernorts entwickelte experimentelle antitumorale Wirkstoff Brequinar in höheren Konzentrationen als FSP1- Inhibitor wirksam ist.
In einer vierten Publikation decken Conrad und Team noch einen weiteren Zusammenhang auf: Sie zeigen, dass FSP1 indirekt zur Bildung von Gerinnungsfaktoren beiträgt, und dies auch dann, wenn deren Produktion durch überdosierte Antikoagulantien vom Typ Vitamin-K-Antagonisten stark beeinträchtigt ist. Dies deutet auf neue Möglichkeiten hin, in solchen Therapiesituationen die Gefahr von Blutungen zu reduzieren.
Conrads Forschung ist damit ein herausragendes Beispiel dafür, wie biomedizinische Grundlagenforschung den Boden für eine am ungedeckten therapeutischen Bedarf ausgerichtete Translation bereitet.
Prof. Dr. Stefan Endres, Ludwig-Maximilians-Universität München, erläuterte die Zuerkennung des Preises im Namen des sechsköpfigen wissenschaftlichen Beirats: „Die Arbeiten zeichnen sich durch ihre hohe wissenschaftliche Qualität, ihre Originalität und ihr translatorisches Potenzial aus. Die Forschungsergebnisse werden neue Möglichkeiten der Pharmakotherapie eröffnen.“
Die gemeinnützige Paul-Martini-Stiftung mit Sitz in Berlin fördert die Arzneimittelforschung sowie die Forschung über Arzneimitteltherapie und intensiviert den wissenschaftlichen Dialog zwischen medizinischen Wissenschaftlern in Universitäten, Krankenhäusern, der forschenden Pharmaindustrie, anderen Forschungseinrichtungen und Vertretern der Gesundheitspolitik und der Behörden. Träger der Stiftung ist der vfa, Berlin, mit seinen derzeit 48 Mitgliedsunternehmen.