Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Technischen Universität München (TUM) hat einen Algorithmus entwickelt, mit dem sich der Zeitpunkt eines Schlaganfalls und damit die Beurteilung von Hirnschäden besonders exakt feststellen lässt. Das Verfahren ist doppelt so genau wie eine Analyse durch medizinisches Fachpersonal.
Ein Schlaganfall entsteht, wenn die Blutversorgung eines Teils des Gehirns blockiert oder reduziert wird, etwa durch ein Blutgerinnsel. Die Hirnzellen werden dadurch nicht mehr mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und sterben ab. Nach einem Schlaganfall lassen sich bleibende Schäden oft reduzieren, wenn schnell gehandelt wird. Dabei ist es entscheidend, den Zeitpunkt des Schlaganfalls zu kennen, um medikamentös oder chirurgisch intervenieren zu können.
Den Zeitpunkt eines Schlaganfalls festzustellen, ist allerdings oftmals schwierig. Beispielsweise können Schlaganfälle während des Schlafs auftreten oder die Betroffenen haben durch die Schlaganfallsymptome Schwierigkeiten, zu kommunizieren.
Ein Team aus Forschenden des Imperial College London, der Universität Edinburgh und der TUM konnte die Einschätzung des Zeitpunktes des Schlaganfalls jetzt durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) deutlich verbessern. Das Modell wurde mit einem Datensatz von 800 Gehirnscans trainiert, bei denen der Zeitpunkt des Schlaganfalls bekannt war. Dadurch ist die Software in der Lage, die betroffenen Regionen in CT-Scans selbständig zu identifizieren und eine Einschätzung zum Zeitpunkt des Schlaganfalls abzugeben.
Für ihre Studie haben die Forschenden den Algorithmus an Daten von knapp 2000 weiteren Patientinnen und Patienten erprobt: Die Software erwies sich als doppelt so genau wie die Einschätzungen menschlicher Expertinnen und Experten. Auch bei der Einschätzung des sogenannten biologischen Alters einer Hirnschädigung, war der Algorithmus besonders präzise. Dieser Wert beschreibt, wie stark sich die Schädigung seit ihrem Entstehen verändert hat, und ob sie reversibel ist.
Leibniz-Preisträger Daniel Rückert, Professor für Artificial Intelligence in Healthcare and Medicine an der TUM, sagt: „Wir vermuten, dass unser Modell so leistungsstark ist, weil es nicht nur bewertet, wie dunkel die geschädigte Region ist, sondern auch zusätzliche Informationen aus den Scans in Betracht zieht – etwa die Textur des Gehirns und Variationen innerhalb der geschädigten Partien.“
Studienleiter Dr. Paul Bentley vom Imperial College London sagt: „Unsere Software kann Ärztinnen und Ärzten im Notfall helfen, Entscheidungen zu treffen, welche Behandlungsschritte bei Schlaganfällen durchgeführt werden sollen. Sie ist nicht nur doppelt so genau wie das gängige Verfahren, sie kann auch vollständig automatisiert ausgeführt werden, sobald der CT-Scan auf dem Bildschirm erscheint.“
Erstautor Adam Marcus schätzt sogar, dass durch die neue Software bei bis zu 50 Prozent der Schlaganfallpatientinnen und -patienten die Behandlung optimiert werden könnte.
Die Studie wurde im Fachmagazin „NPJ Digital Medicine“ veröffentlicht.