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Protein-Design mit KI: Forscher entwerfen neue Methode

Das Team hat eine neue Methode entwickelt, um neue große Proteine zu designen. Links: Erstautor Christopher Frank, rechts: Prof. Hendrik Dietz. © Andreas Heddergott / TUM

Ein internationales Forschungsteam hat eine innovative Methode entwickelt, um große, neue Proteine besser als bisher am Computer zu designen und im Labor herzustellen. Ziel ist es, neue Proteine mit spezifischen Eigenschaften für therapeutische Antikörper, diagnostische Biosensoren oder Enzyme zu entwickeln. Dabei wird die KI-gestützte Software Alphafold2 auf eine neue Weise genutzt.

Proteine sind essenzielle Bestandteile unseres Körpers, und Forschende arbeiten daran, sie entweder nachzubauen oder völlig neue, sogenannte De-novo-Proteine, zu entwickeln. Diese künstlichen Proteine könnten beispielsweise Viren binden oder Wirkstoffe transportieren. Dabei kommt zunehmend maschinelles Lernen zum Einsatz. Kürzlich wurde dieser Fortschritt mit dem Chemie-Nobelpreis gewürdigt: Geehrt wurden David Baker für seine Pionierarbeit im De-novo-Proteindesign sowie Demis Hassabis und John Jumper - Entwickler der Software Alphafold2, die es ermöglicht, Proteinstrukturen mit hoher Genauigkeit am Computer vorherzusagen.

Ein Team unter Leitung von Hendrik Dietz, Professor für Biomolekulare Nanotechnologie an der Technischen Universität München (TUM), und von Sergey Ovchinnikov, Professor für Biologie am Massachusetts Institute of Technology (MIT), hat nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die akkurate Strukturvorhersage von Alphafold2 zusammen mit einem sogenannten Gradient Descent Ansatz für effizientes Proteindesign nutzen lässt. Publiziert wurde es im Fachjournal Science.

Gradient Descent ist eine gängige Methode zur Modelloptimierung. In einem schrittweisen Prozess kann man damit Abweichungen zur gewünschten Zielfunktion erkennen und die Parameter immer weiter anpassen, bis das optimale Ergebnis erreicht ist. Im Proteindesign kann Gradient Descent dabei helfen, die durch AlphaFold2 vorhergesagte Proteinstruktur neuer Proteine gegen die gewünschte Proteinstruktur abzugleichen. So können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre neu entworfene Aminosäurenkette und die daraus entstehende Struktur immer weiter optimieren. Letztere bestimmt maßgeblich die Stabilität und Funktion des Proteins und hängt von feinen energetischen Wechselwirkungen ab.

Optimierung durch Baustein-Überlagerung

Mit dem neuen Verfahren lassen sich große neue Proteine besser als bisher designen und mit den gewünschten Eigenschaften versehen, zum Beispiel um passgenau an andere Proteine zu binden. Ihr Designprozess unterscheidet sich an verschiedenen Stellen von bisherigen Vorgehensweisen.

„Wir haben den Prozess für neue Proteine so gestaltet, dass wir zunächst die Grenzen des physikalisch Möglichen außen vor lassen. Üblicherweise geht man an jeder Stelle der Aminosäurenkette von nur einem der 20 möglichen Bausteine aus. Wir nutzen stattdessen eine Variante, bei der alle Möglichkeiten virtuell überlagert sind“, sagt Christopher Frank, Doktorand am Lehrstuhl für Biomolekulare Nanotechnologie und Erstautor der Studie.

Diese virtuelle Überlagerung lässt sich so nicht direkt in ein tatsächlich produzierbares Protein umsetzen. Aber sie ermöglicht es, das Protein virtuell immer weiter zu optimieren. „Über mehrere Wiederholungen hinweg verbessern wir die Anordnung der Aminosäuren, bis das neue Protein sehr nah an der Struktur dran ist, die wir gerne hätten“, sagt Christopher Frank. Aus dieser optimierten Struktur wird dann die Abfolge von Aminosäuren ermittelt, die sich auch tatsächlich im Labor umsetzen lässt.

Wie gut stimmen die Vorhersagen?

Aber entspricht die echte Struktur auch dem erdachten Konstrukt und der gewünschten Funktion? Das Team hat mit der neuen Methode über 100 Proteine nicht nur virtuell entworfen, sondern auch im Labor hergestellt und experimentell überprüft. „Wir konnten beweisen, dass unsere designten Strukturen der echten Umsetzung sehr genau entsprechen“, sagt Christopher Frank.

Mit ihrer neuen Methode konnten sie Proteine aus bis zu 1000 Aminosäuren herstellen. „Wir nähern uns damit der Größe von Antikörpern an und können – wie bei Antikörpern auch – dann mehrere gewünschte Funktionen in ein solches Protein integrieren“, erläutert Hendrik Dietz. „Das könnten beispielsweise Motive zur Erkennung und Unterdrückung von Krankheitserregern sein.“