Wissenschaftler der Technische Universität München (TUM) haben ein Verfahren entwickelt, bei dem sie auf Physik statt wie bisher üblich auf Chemie setzen, um die hierfür benötigten Proteine zu erhalten. Mit kurzwelligem, für Menschen unsichtbarem UV-Licht ist es ihnen gelungen, Proteine aus Zellextrakten oder Kulturen zu reinigen. Dieses Verfahren ist effizienter und schonender als bisherige Methoden und könnte zukünftig in der Hochdurchsatz-Wirkstoffentwicklung in Pharma- oder Biotechnologieunternehmen Anwendung finden.
Proteine spielen eine Schlüsselrolle in den Lebenswissenschaften – von der Grundlagenforschung über biotechnologische Anwendungen bis hin zur Entwicklung und Herstellung von Medikamenten. Wer molekularbiologisch oder -medizinisch forscht und arbeitet, benötigt Proteine in reiner Form als Untersuchungsgegenstand oder Wirkstoff für unterschiedliche Zwecke. Diese Proteine werden aus natürlichen Quellen isoliert oder mit Hilfe von genetisch veränderten Zellen produziert.
Das hierfür gängige Verfahren ist seit 50 Jahren die Affinitätschromatographie, ein Verfahren, das einen bedeutenden Nachteil hat: Das gereinigte Zielprotein kann im letzten Aufreinigungsschritt beschädigt werden. Das Team um Arne Skerra, Professor für Biologische Chemie an der TUM, nutzt dagegen einen physikalischen Mechanismus anstelle chemischer Reagenzien.
Bei dem neu entwickelten Verfahren kommt eine Chromatographie-Säule zum Einsatz, die mit einem porösen Trägermaterial gefüllt ist. Den wesentlichen Unterschied machen dann aber LED-Leuchten, die um die Säule angebracht sind, sowie ein kleines Molekülanhängsel, das dem Zielprotein angefügt wird. Entwickelt wurde das minimalistische Anhängsel namens Azo-Tag von Peter Mayrhofer, Markus Anneser und Stefan Achatz zusammen mit Arne Skerra am Lehrstuhl für Biologische Chemie auf Grundlage der lichtsensiblen chemischen Gruppe „Azobenzol“. Es kann seine Gestalt unter bestimmter Lichteinstrahlung ändern und fungiert für das Zielprotein wie ein molekularer Anker über den das Zielprotein hochspezifisch an das Trägermaterial in der Chromatographie-Säule bindet.
Werden die LED-Leuchten angeschaltet und die Säule mit mildem UV-Licht von 355 Nanometer Wellenlänge bestrahlt, ändert das Anhängsel seine Form und das Zielprotein mit dem Azo-Tag kann in reiner, konzentrierter und unversehrter Form aus der Säule gewaschen werden. Das so isolierte Protein kann direkt für weitere Untersuchungen genutzt werden – also ohne zusätzliche Reinigungsschritte.
Die Forschenden arbeiten mittlerweile regelmäßig mit der Methode und konnten so schon Antikörper gegen Brustkrebs reinigen. Das Verfahren ist mittlerweile zum Patent angemeldet. Ziel ist auch, die Abläufe zu automatisieren, damit das Verfahren effizienter wird, um es auch in der Hochdurchsatz-Wirkstoffentwicklung in Pharma- oder Biotechnologieunternehmen einsetzen zu können.