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Roche Biotech Day - ein Blick in die Zukunft

Prof. Horst Domdey, Managing Director BioM, spricht beim Roche Biotech Day 2019 in Penzberg.

Prof. Horst Domdey, Managing Director BioM, eröffnet den Roche Biotech Day 2019 in Penzberg. © Roche

Der Film zum Roche Biotech Day 2019 © Roche

Bei der ersten Auflage des Roche Biotech Days informierten renommierte Expertinnen und Experten über aktuelle Trends für die Zukunft der Biotechnologie. Der Bogen spannte sich von synthetischer Biologie über neue Molekülformate und künstliche Intelligenz bis hin zu personalisierten Vakzinen und individueller Genomanalyse.

Rund 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Münchner Universitäten,  Forschungsinstituten und Biotech-Firmen sind der Einladung von Roche gefolgt und trafen sich mit circa 150 Roche-Wissenschaftlern zur Premiere des Roche Biotech Days Anfang April auf dem Penzberger Roche Campus. Realisiert wurde die Veranstaltung gemeinsam mit BioM, der Netzwerkorganisation der Biotechnologiebranche in München und Bayern, was sich durch die rege Beteiligung aus TUM, LMU, MPI sowie den Biotech-Firmen und start-ups an den über 40 Poster-Ständen niederschlug. Das Symposium mit abendlichem Get-together und einer großen Postersession bot für alle eine gute Gelegenheit zum produktiven wissenschaftlichen Diskurs und zum Netzwerken. Roche wollte mit der Veranstaltung auch signalisieren, dass sich das Unternehmen weiter für die Zusammenarbeit in der Region öffnet und aktiv die Zukunft der Biotechnologie mitgestaltet.

Die Präsentationen behandelten nicht nur klassische Aspekte im Biotech-Umfeld, sondern umfassten ein deutlich weiteres Spektrum. So wie der Vortrag von Petra Schwille, die Grundlagenforschung auf dem Gebiet der synthetischen Biologie vorstellte. Die Direktorin am Max-Planck-Institut für Biochemie ergründet, wie vor Milliarden von Jahren die ersten Zellen entstanden. Dazu will sie aus einfachen biologischen Bauteilen ein System schaffen, das sich selbst repliziert – eine künstliche „Urzelle“. Begonnen hat sie mit der Membranhülle, wie sie in Penzberg berichtete. Der Weg zur Beantwortung der großen Fragen der Biologie ist aber noch weit. „Wir haben noch lange nicht verstanden, was Leben ist“, betonte die Max-Planck-Direktorin.

Neue Therapien mit Viren, DutaFabs und Vakzinen
In die angewandte Forschung führten die Präsentationen, in denen völlig neue Klassen therapeutischer Wirkstoffe vorgestellt wurden. Martin Steegmaier, Head of Discovery in der Roche Pharmaforschung, gab einen Einblick in die Pipeline des Unternehmens. „Mehr als 80 Prozent des Portfolios bestehen aus neuen Antikörperformaten“, berichtete Steegmaier. Dazu gehören zum Beispiel T-Zell-bispezifische Antikörper, die sich mit zwei Bindungsstellen an einen Tumor heften und über eine dritte Bindungsstelle T-Zellen anlocken. Hoch innovativ sind die DutaFab Formate. Diese Antikörper können an jedem Arm zwei unterschiedliche Bindungsstellen tragen.

Visionär ist der Ansatz, den Andreas Plückthun verfolgt. Der Mitbegründer von MorphoSys und Molecular Partners ist Professor an der Universität Zürich und eine der treibenden Kräfte in der Entwicklung neuer Antikörper- und Proteinformate. Als Fortsetzung seiner Arbeiten stellte er modifizierte Adenoviren vor, die Tumorzellen spezifisch infizieren und sie dazu bringen, therapeutische Antikörper gegen sich selbst zu produzieren. In Tiermodellen konnte Plückthun sogar schon eine Reduktion des Tumorgewebes erreichen.

Der von Biotechnologen lange gehegte Traum einer Impfung gegen Krebs wird jetzt Realität, wie Christoph Kröner von BioNTech berichtete. Ein auf RNA basierender Impfstoff, der für jeden Patienten individuell hergestellt wird, konnte in klinischen Tests mit Melanompatienten überzeugen. Zurzeit laufen in Kooperation mit Genentech die Vorbereitungen für eine große klinische Studie. 

Krankheitsbilder im Wandel und Preisexplosion bei Therapeutika
Eine ganz andere Perspektive auf die Biomedizin brachte Günter Jagschies von GE Healthcare Life Sciences in die Diskussion. Er postulierte, die Prioritäten bei Entwicklung und Herstellung von Therapeutika zu überdenken. Dazu lenkte er den Blick auch nach Asien und Afrika. Im Gegensatz zu entwickelten Ländern mit hohem Anteil an alters-assoziierten Krankheiten sind dort rund 1,5 Milliarden Menschen von Krankheiten betroffen, welche die UN als „Neglected tropical diseases“ einstuft. Zählt man die Patienten mit Malaria, Tuberkulose und HIV dazu, leiden rund 3,5 Milliarden Menschen unter Infektionskrankheiten – fast die Hälfte der Erdbevölkerung. Günter Jagschies plädierte daher für mehr Forschung zu Impfstoffen und den vernachlässigten Tropenkrankheiten.

Bei der Behandlung von Erkrankungen wie Krebs sei die Präzisionsmedizin weiter auszubauen, betonte er. Ein großes Problem seien aber die hohen Behandlungskosten. Er zeigte mehrere Beispiele von biopharmazeutischen Therapien, die pro Jahr mehrere hunderttausend Dollar kosten. Auch hier bestehe großer Handlungsbedarf, um hochwirksame Therapien für viele verfügbar und finanzierbar zu machen.

Vom Speziallabor in die Routinediagnostik
Die Zukunft der Diagnostik liegt in Big Data und hochtechnologischen Systemen, wie die Referenten beim Biotech Day eindrucksvoll demonstrierten. Joachim Eberle aus der Roche Diagnostikforschung erklärte, dass bei der Entwicklung neuer Tests die Analyse großer Datenmengen eine immer größere Rolle spiele. Er verriet auch, dass Roche jetzt an einer neuen diagnostischen Plattform arbeitet, die auf der Massenspektrometrie basiert. Damit wird diese präzise analytische Methode, die es bislang nur in Speziallaboren gab, auch im diagnostischen Routinelabor verfügbar.

Ähnlich wie die Massenspektrometrie war auch die Ramanspektroskopie lange Zeit Spezialisten vorbehalten. Jürgen Popp vom Leibniz-Institut für photonische Technologien in Jena stellte einen Chip vor, auf dem sich mit der Ramanspektroskopie Antibiotikaresistenzen in einer Patientenprobe bestimmen lassen. Bislang müssen die Bakterien aus der Probe mindestens 24 Stunden kultiviert werden. Mit der neuen Technologie liegt das Ergebnis in weniger als dreieinhalb Stunden vor.

Künstliche Intelligenz verändert die Biotechnologie
Daten sind auch der Rohstoff für maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz. Wie Big Data Technologien die Biomedizin verändern werden, zeigte Fabian Theis vom Helmholtz Zentrum München. Theis koordiniert zurzeit den Aufbau der Helmholtz Artificial Intelligence Cooperation, in die Helmholtz über elf Millionen Euro investiert. „Die Biotechnologie wird in Zukunft immer mehr komplexe Daten produzieren“, erklärte Theis. „Es geht nicht nur darum, diese Daten für sich zu analysieren. Wichtig ist, Daten aus verschiedenen Quellen zu integrieren, um ein Gesamtbild zu erhalten.“ Hier haben Data Science und künstliche Intelligenz gerade begonnen, die Biotechnologie zu revolutionieren. 

In der Praxis angekommen ist die Revolution schon bei Foundation Medicine (FMI). Vera Grossmann, FMI Managerin Deutschland, erklärte, wie weit die personalisierte Krebsdiagnose heute schon ist. FMI analysiert routinemäßig Tumorproben von Patienten auf über 300 tumorspezifische Gene. Darauf basierend kann FMI bei der Identifikation von potenziell wirksamen Therapieoptionen oder Studien als Unterstützung bei der individualisierten Therapiestratifizierung helfen. Ein umfangreicher medizinischer Befund erläutert die biologische und klinische Relevanz jeder identifizierten genetischen Veränderung mit dem Ziel, Therapieentscheidungen zu unterstützen.

So kommen die Daten der Patienten letztendlich wieder dem einzelnen Patienten zugute – ein Beispiel, wie künstliche Intelligenz, Data Science und Biotechnologie in Zukunft erfolgreich interagieren können.

Christine Broll

www.roche.de