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25.08.2022

Technische Universität München

Wie Immunzellen der Erschöpfung entgehen

Ein Forschungsteam hat eine neue Untergruppe von Immunzellen entdeckt, die eine bedeutende Rolle für die Immunantwort beichronischen Infektionen und Krebs spielen. Diese T-Zell-Population ist auch entscheidend für Immuntherapien, die Checkpoint-Inhibitoren nutzen.Die Entdeckung könnte eine Erklärung dafür liefern, warum die Immuntherapie bei manchen Menschen keine Wirkung zeigt, und zur Entwicklung effektiverer Therapien für Krebserkrankungen und schwere Virusinfektionen führen.

Es ist bereits seit langem bekannt, dass schwere Erkrankungen das Immunsystem schädigen können. Dieses als Immunerschöpfung bekannte Phänomen wird häufig bei Krebspatientinnen und -patienten oder Menschen mit chronischen Virusinfektionen wie HIV oder Hepatitis beobachtet. Beeinträchtigt ist dann in erster Linie die Immunzellpopulation der sogenannten zytotoxischen T-Zellen, die bei der Eliminierung von Krebszellen beziehungsweise von Zellen, die mit einem Virus infiziert sind, von entscheidender Bedeutung sind.

Jetzt hat ein Forschungsteam um Dr. Veit Buchholz vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene an der Technischen Universität München (TUM), und Prof. Axel Kallies vom Peter Doherty Institute for Infection and Immunity der Universität Melbourne eine neuartige Zellpopulation identifiziert, die für die Bewältigung der Immunerschöpfung und Aufrechterhaltung langfristiger T-Zell-Reaktionen bei chronischen Virusinfektionen maßgeblich ist.

Wichtige Ergebnisse aus früheren Studien

In früheren Studien hatte die Arbeitsgruppe von Veit Buchholz herausgefunden, dass bestimmte Untergruppen von Gedächtnis-T-Zellen genau wie Stammzellen über die Fähigkeit verfügen, sich selbst zu erneuern. Die Forscher verfolgten hierfür in vivo Immunantworten einzelner T-Zellen. In ähnlichen Studien hatte das Team um Prof. Kalliesgezeigt, dass nicht bei allen T-Zellen während chronischer Erkrankungeneine Erschöpfung und ein Funktionsverlust auftritt. Sogenannte Vorläufer erschöpfter T-Zellen, die Tpex-Zellen, konnten ihre Funktion über einen langen Zeitraum beibehalten.

„Ein Jungbrunnen für die T-Zell-Immunität“

Die nun in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichte neue Studie kombiniere die einzigartige Kompetenz beider Labore, erläutert Dr. Carlson Tsui aus dem Melbourner Team, einer der Erstautoren. Die Arbeit konzentriere sich auf eine sehr spezielle Untergruppe von Tpex-Zellen mit dieser stammzellenartigen Funktion. „Diese Zellen sind wie ein Jungbrunnen für die T-Zell-Immunität und ermöglichen es erschöpften T-Zellen, sich zu erneuern und ihre Funktion beizubehalten“, erklärt Dr.Lorenz Kretschmer aus dem Team der TUM, ebenfalls Erstautor der Studie.

Stammzellartige erschöpfte T-Zellen

„Der Erfolg oder Misserfolg der Immuntherapie bei Krebs und chronischen Infektionen hängt von der Qualität der T-Zell-Reaktion ab. Wir waren jetzt in der Lage, die genaue Zelluntergruppe zu bestimmen, die für die Aufrechthaltung einer starken Immunantwort entscheidend ist“, sagt Veit Buchholz. Die Wissenschaftler schlugen vor, die neue Zelluntergruppe als „stammzellartige erschöpfte T-Zellen“ zu bezeichnen.„Diese Zellen agieren wie Stammzellen für die Killer-T-Zell-Population.Sie erneuern sich nicht nur selbst, sondern bilden auch zytotoxische T-Zellen, die virusinfizierte Zellen abtöten können“, erläutert Buchholz.

Das Team konnte außerdem das Schlüsselmolekül für die Entwicklung undFunktion dieser Zellen identifizieren. „Wir haben einen spezifischen Transkriptionsfaktor, Myb genannt, entdeckt, der die Entwicklung und Funktion dieser Zellen steuert“, sagt Prof. Kallies. „Ohne diesen Faktorbildet sich diese Zellpopulation nicht, und die T-Zellen, die auf die chronische Infektion reagieren, können nicht aufrechterhalten werden undsprechen kaum auf Checkpoint-Inhibition an.“ Die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren war in den letzten Jahren eine entscheidende Innovation in der Krebstherapie. „Ohne diesen Transkriptionsfaktor versagt die Immuntherapie im Grunde genommen“, sagt Kallies.

Erkenntnisse könnten zu gezielteren Immuntherapien führen

Beide Arbeitsgruppen entwickeln derzeit neue Strategien zur Nutzung dieser Zellen und hoffen, dass ihre Forschung zu besseren Immuntherapienführen wird. „Aktuell erweist sich die Immuntherapie nur bei bestimmtenKrebsarten als erfolgreich und zeigt auch nicht bei allen Patientinnen und Patienten Wirkung“, sagt Kallies. „Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse über die Mechanismen der T-Zell-Stärkung die Entwicklung noch gezielterer Immuntherapien zur Behandlung chronischer Virus- und Krebserkrankungen ermöglichen werden.“


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