Eine Gruppe von Forschern aus mehreren deutschen Unikliniken konnte erstmalig im Tiermodell nachweisen, dass spezielle Rezeptoren des angeborenen Immunsystems den Verlauf von Multipler Sklerose (MS) beeinflussen und welche molekularen Mechanismen dabei greifen. In der Januar-Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Neuroscience berichten die Wissenschaftler um Dr. Hendrik Poeck von der III. Medizinischen Klinik des Klinikums rechts der Isar und Prof. Marco Prinz, Abteilung für Neuropathologie des Universitätsklinikums Freiburg, über ihre Ergebnisse.
Mehr als 50 Jahre nach der Entdeckung der Interferone ist es den Forschern gelungen, die komplexe Induktion dieser Botenstoffe im Zusammenhang mit entzündlichen Erkrankungen des zentralen Nervensystems aufzuklären. Dies macht Hoffnung für einen neuartigen und effektiveren therapeutischen Einsatz von Interferonen.
Die Multiple Sklerose ist eine der häufigsten entzündlichen Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS). Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren sind häufiger als Männer betroffen. In Deutschland leiden etwa 120.000 Menschen an MS. Man nimmt an, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt, bei der Blutzellen irrtümlicherweise Strukturen des ZNS angreifen und dadurch die Entzündung hervorrufen. Zirka 40.000 Patienten werden hierzulande mit Interferon-β behandelt, um das Immunsystem zu regulieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen. Obwohl die Therapie zunächst sehr effektiv ist, müssen viele Patienten die Interferon-β Behandlung abbrechen, da es zu Nebenwirkungen im Blut, an der Haut und im Nervensystem kommen kann.
„Unsere Studie hat einen weiteren Baustein für das Verständnis der Wirkung von Interferon bei MS hinzugefügt. Auf Basis unserer Ergebnisse könnten nun neue therapeutische Ansätze für diese Erkrankung entwickelt werden“, so Poeck. Die Forscher beobachteten, dass spezifische Rezeptoren, die eigentlich für die Erkennung von bestimmten Viren wie Grippeviren notwendig sind, auch den Verlauf der Entzündungsreaktion während der MS im Gehirn entscheidend verlangsamen können. Die Ergebnisse waren sowohl eindeutig als auch überraschend: Das Fehlen dieser Erkennungsstrukturen verschlimmerte die Erkrankung. Aktiviert man hingegen diese Rezeptoren spezifisch, werden in großen Mengen Interferone im Körper gebildet, die eine deutliche Besserung der Krankheit im Tiermodell bewirken. Wie Poeck und seine Kollegen zeigen konnten, beeinflussen die Interferone insbesondere über dendritische Zellen die Wirkungsweise schädigender weißer Blutkörperchen. Diese sogenannten T-Lymphozyten produzieren Botenstoffe wie das IL-17 und führen somit bei der MS zur Schädigung der Oligodendrozyten, der myelinbildenden Zellen. Inwieweit diese im Tiermodell beobachteten, vielversprechenden Ergebnisse auch zu neuen Behandlungsoptionen beim MS-Erkrankten führen können, sollen zukünftige Studien zeigen.
Die Studie mit dem Titel „Cytosolic RIG-I–like helicases act as negative regulators of sterile inflammation in the CNS“ ist zu finden unter: www.nature.com/neuro/journal/vaop/ncurrent/index.html
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