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Baustelle Klinikum Großhadern – und kaum bekannte Neubauten

Im November letzen Jahres gab eine Architektenstudie Auskunft, wie eine Modernisierung der Universitätsklinik München-Großhadern am Sinnvollsten geschehen sollte: Die Experten plädierten dabei für einen kompletten Neubau und anschließenden Abriss des aus den frühen 70er Jahren stammenden Klinikgebäudes am Südrand Münchens.

Ist dieses Klinik-Gebäude an vielen Stellen offensichtlich baulich nicht mehr auf dem letzten Stand der Technik, so gibt es doch auch jetzt schon einige Infrastrukturprojekte, die für das Klinikum zukunftsweisend sind und diesen Standort auch für die nächsten Jahrzehnte technologisch an der Spitze halten dürften:
So wird gerade Europas größtes und modernstes Operationszentrum gebaut, der als freistehender Komplex  auch mit einem zukünftigen Neubau verbunden werden kann. Weiterhin sind zu nennen, der Gebäudekomplex des Centrum für Schlaganfall- und Demenzforschung (CSD), der Münchner Niederlassung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) sowie der sich noch in Planung befindliche Neubau der Hauner´schen Kinderklinik nach Großhadern (das Neue Hauner). Zeitgleich schreiten die Planungen des neuen Mutter-Kind-Zentrums voran.

Dass die Vorklinik und auch Teile der klinischen Forschung bereits im nächsten Jahr ins große neue Biomedizinische Zentrum (BMC) einen Steinwurf weiter auf die Martinsrieder Wiese neben der LMU-Biologie sowie dem Gründerzentrum IZB ziehen, macht die Übersichtlichkeit der Bauvorhaben und ihren Realisierungsstand (fast fertig, begonnen, geplant, überlegt…) nicht gerade größer.

Abgeschlossenes Bauvorhaben: das neue Zentrum für Radiopharmazie
Von der Diagnostik zur Theranostik
Ziemlich unbemerkt von weiten Teilen  hat sich dazu ein weiterer Baukomplex förmlich „eingeschlichen“, dessen Bedeutung für den Forschungsstandort als europäische Spitzenregion in Therapie und Diagnostik aber nicht zu unterschätzen ist: gemeint ist das neue Centrum für Radiopharmazie am äußersten Westrand des Klinkareals.

Die PET Net GmbH in Erlangen hatte im Juli 2011 die Aufgabe übernommen, ein Radiopharmazie-Zentrum mit einem Finanzierungsvolumen von15 Mio. Euro im Rahmen einer Public-Private Partnership (PPP) am Klinikum München-Großhadern zu errichten. Neben dem Bau der Betriebsstätte ist auch eine langfristige Kooperation zur Produktion und Entwicklung von heute gängigen und neuen Radiopharmaka und deren Zulassung geplant. Die eigens für diesen Zweck gegründete  PETNet München (PNM) GmbH hat alle nötigen Genehmigungen einholen und das Gebäude gemeinsam mit dem Konsortialpartner Perner Architekten GmbH Rosenheim in der Rekordzeit von nur knapp 24 Monaten planen, errichten und qualifiziert übergeben können.
Der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums, Prof. Dr. Karl-Walter Jauch und der Dekan der Medizinischen Fakultät der LMU München, Prof. Dr. Maximilian Reiser, zeigten sich beeindruckt und hocherfreut über die neuen Möglichkeiten für Forschung und Krankenversorgung. Es entstanden mehr als 600 m² Reinräume und Produktionsflächen, die zu etwa gleichen separaten Teilen von der Nuklearmedizin unter Prof. Peter Bartenstein und von der PNM genutzt werden. Für die Produktion von spezifischen Radiopharmaka stehen ein Zyklotron mit 16 MeV und Dual-Beam, 20 Synthesezellen und 3 Abfüllanlagen zur Verfügung. Die meisten technischen Systeme wurden redundant realisiert, um eine hohe Ausfallsicherheit zu gewährleisten. Die Kooperation der Partner Klinikum der Universität München und PNM soll im Sinne des PPP intensiv fortgesetzt werden. Bilder des Gebäudes sowie eine kurzes Video stehen unter https://www.klinikum.uni-muenchen.de/de/videos/video_zyklotron/index.html

Warum ist dieses (kleine) Zentrum doch so bedeutend? Das Klinikum der Universität München betreibt bundesweit eine der größten nuklearmedizinischen Einrichtungen in Deutschland, mit dem neuen Zentrum stößt man in die Top-3 der großen europäischen Radiopharmazie-Standorte vor.

Etwa 6500 PET- und PET/CT-Untersuchungen pro Jahr werden am LMU-Klinikum mit kurzlebigen Radiotracern durchgeführt,  schwerpunktmäßig in der Onkologie. Der am häufigsten verwendete Tracer ist 18F-Fluor- Deoxy-Glucose (FDG), der heute noch mit einem Anteil von fast 70% aller verwendeten Radiotracer in der PET-Diagnostika angewandt wird. Neben dem FDG haben aber eine Reihe weiterer Tracer Einzug in die klinische Versorgung gehalten. Darunter befinden sich z.B. verschiedene Cholin-Derivate oder neuerdings auch PSMA-Liganden (PSMA = prostataspezifisches Membranantigen) zur Diagnostik des Prostata-Karzinoms oder eine Vielzahl von peptidischen Radiopharmaka, z.B. sog. Somatostatin-Analoga, die  an den Somatostatin-Rezeptor auf Tumorzellen binden. Gerade in diesem Bereich konnte gezeigt werden,  wie aus einem primär diagnostisch-bildgebenden Verfahren eine therapeutische Behandlungsoption wird: tauscht  man die Strahlenquelle in dem Radiopharmakon von einem diagnostischen Positronen-Strahler gegen einen therapeutischen wirksamen Beta-Strahler aus, so kann man zielgerichtet, bildgebend unterstützt und quasi zielidentisch das diagnostisch als Tumor erkannte Gewebe mit dem Beta-strahlenden Peptid bekämpfen. Diese „Theranostic“ als wortwörtliche Verschmelzung von molekularer Diagnostik und Therapie ist eines der zukünftigen Schwerpunktgebiete in der Gruppe von Prof. Bartenstein. Derzeit werden intensiv die neuroendokrinen Tumorindikationen untersucht und optimale Tracer-Verbindungen erforscht. Gleichzeitig weitet man die Arbeitsgebiete aber nicht nur im onkologischen Bereich aus, sondern startet auch mit neuen Ansätzen bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson. Zusätzlich sind jedoch auch beispielhafte Biodistributionsstudien mit radioaktiv markierten neuen Arzneimittelkandidaten in  Mensch und Tier  für eine Vielzahl anderer Fragestellungen eine mögliche Erweiterung des Arbeitsgebietes.

„Mit einer eigenen Produktionsstätte stellen wir nun sicher, dass die Patientenversorgung sowie die Forschung und Lehre im Bereich der Nuklearmedizin gewährleistet sind“, meint Prof. Bartenstein dazu ganz bescheiden. Gerade für die „personalisierte Medizin“ bieten sich mit einer leistungsfähigen Nuklearmedizin am Standort München exzellente Voraussetzungen internationaler Anziehungskraft.