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EY-Report 2023: Weniger Geld für deutsche Biotechs, Bayern bei Neugründungen und Start-up-Finanzierungen vorne

© Ernst & Young

Deutsche Biotechnologieunternehmen müssen mit weniger Geld auskommen, haben aber eine vielversprechende Produktpipeline. Das sind die Ergebnisse des Deutschen Biotechnologie-Reports 2023 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Die Kapitalaufnahme befände sich auf Prä-Pandemieniveau, trotz Einbruch gegenüber den beiden Rekordjahren 2020 und 2021. Die Produkt-Pipeline ist vielversprechend: es gibt 145 klinische Wirkstoffstudien, 17 davon in Phase III. Das Allianzvolumen befindet sich zwar auf Rekordniveau, jedoch bricht der Merger & Akquisition-Markt ein. Erfreulich für die bayerische Biotechnologie: bei Neugründungen und Start-up-Finanzierungen liegt der Freistaat vorne.

Der Hype in der Biotechnologiebranche ist vorüber, so EY, die Finanzierungssituation wieder kritisch – nicht zuletzt durch eine erhebliche Verunsicherung auf Seiten der Investoren befeuert durch die globalen Krisen. Nach zwei Rekordjahren floss im Jahr 2022 deutlich weniger frisches Kapital in die deutsche Biotechnologie-Branche: Die Kapitalaufnahme sank von 2,4 Milliarden auf 812 Mio. Euro – ein Rückgang um 67 Prozent. Im Jahr 2020 waren sogar insgesamt 3,0 Milliarden Euro an die deutschen Biotechnologie-Unternehmen geflossen.

Ein neuer Rekord konnte bei den Allianzen verzeichnet werden: Im vergangenen Jahr sind deutsche Biotechnologie-Unternehmen neue Partnerschaften mit einem potenziellen Umsatzvolumen von 14,2 Milliarden Euro eingegangen. Insgesamt sei die Biotech-Branche in der Wirtschaftskrise stabil, die unzureichende Finanzierungsbedingungen würden jedoch die Entwicklungserfolge gefährden.

Pressekonferenz am 27. Juni 2023: Biotechnologie in Deutschland und Bayern: Wo geht die Reise hin? – Präsentation der neuesten Zahlen von EY und BioM

Risikokapitalfinanzierung zeigt im Langzeitrückblick positiven Trend, sinkt jedoch auf Vor-Pandemieniveau

Die Risikokapitalfinanzierung ist zwar gegenüber 2021 um 48 % eingebrochen, jedoch im Vergleich zu den Zeiten vor 2019, vor der Pandemie, stabil geblieben. Nur in den Jahren 2000, 2001 und 2019 bis 2021 wurden jemals höhere Werte erzielt. In 21 Finanzierungsrunden, das ist eine Runde mehr als in den Jahren 2019 und 2020 und nur drei Runden weniger als 2021, konnten 2022 immerhin stattliche 389 Mio. Euro Risikokapital aufgenommen werden. Folgefinanzierungen schrumpften von 874 auf 418 Mio. Euro, Zuflüsse aus Wandelanleihen sogar von 139 auf 6 Mio. Euro. Und nachdem im Vorjahr noch vier Börsengänge insgesamt 667 Mio. Euro erbracht hatten, wurde im Jahr 2022 kein deutscher Biotech-Börsengang registriert.

Gut gefüllte Produkt-Pipelines

Die Produkt-Pipeline ist vielversprechend: Sie umfasste Ende des Jahres 2022 insgesamt 145 klinische Studien der Phasen I bis III, davon 17 Phase III-Studien. Waren die beiden Vorjahre international noch sehr von COVID-19-Impfstoff- und Therapie-Entwicklungen geprägt, befassen sich über die Hälfte (56 %) der Studien mit Krebs-Wirkstoffen, gefolgt von Infektions- (12 %) und Autoimmunerkrankungen (10 %).

Allianzvolumen auf Rekordniveau, M&A-Markt bricht ein

Mit einem potenziellen Allianzvolumen von starken 14,2 Milliarden Euro war das Jahr 2022 ein Rekordjahr – im Vergleich zum Vorjahr hat es sich mehr als vervierfacht. Verantwortlich hierfür sind sechs Megadeals mit Volumina jeweils über 500 Mio. Euro. Die Zahl der Deals blieb im Vergleich zum Jahr zuvor relativ stabil: (2021: 48, 2022: 44 Deals). Im Europa-Ranking belegt die deutsche Biotechnologie-Branche mit 14,2 Milliarden Euro den zweiten Platz hinter dem Vereinigten Königreich (21 Milliarden Euro).

Während es bei den Allianzen kräftig aufwärts ging, brach der M&A-Markt im vergangenen Jahr ein: Nach Höchstständen von jeweils mehr als zwei Milliarden Euro in den Jahren 2020 und 2021 ist das M&A-Gesamtvolumen unter Beteiligung deutscher Biotech-Unternehmen im vergangenen Jahr auf 270 Millionen Euro gesunken (- 87 % gegenüber 2021). Die Gründe hierfür waren die schwierige Konjunkturlage, gesunkene Börsenkurse und eingebrochene Bewertungen. Auch die Anzahl der Deals ging von 21 auf 15 zurück.

Neugründungen durch Krise gebremst – Bayern jedoch vorne

Erfreulich sind die Zahlen bei bayerischen Neugründungen: 43% aller Unternehmen waren im Großraum München beheimatet, gefolgt von Baden-Württemberg (fünf Unternehmen; 22 %). Beide Länder vereinen auf sich 65 % aller Neugründungen mit einem Hauptanteil der Therapeutika-Entwickler. 

Weiterhin signifikante Start-up-Finanzierungen über 50 Mio. Euro, auch in Bayern

Betrachtet man die 21 Finanzierungsrunden im Jahr 2022, so gab es sechs Runden von fünf Firmen mit mindestens 25 Mio. Euro, davon drei Top-Runden zwischen 50 und 67 Mio. Euro. Diese sechs Runden umfassten allein 67 % der gesamten Risikokapitalaufnahmen.

Die Martinsrieder Tubulis hat mit einer Serie-B-Finanzierung in Höhe von 60 Mio. Euro die zweitgrößte Runde abgeschlossen. Angeführt wurde die Kapitalaufnahme von Andera Partners, als neue Investoren beteiligten sich Evotec und Fund+. Das neu aufgenommene Kapital dient hauptsächlich dazu, die ADC-Produkt-Pipeline (Antikörper-Wirkstoff-Konjugate) in Richtung klinischer Evaluierung voranzutreiben und das Spektrum der Plattformtechnologien in der Onkologie zu erweitern.

Eine weitere signifikante Finanzierung mit über 50 Mio. Euro war die Serie-C-Finanzierung der Martinsrieder CatalYm, die bereits 50 Mio. Euro im Jahr 2020 einwerben konnte. Die neue Finanzierungsrunde wurde von den zwei neuen global agierenden Investoren Brandon Capital und Jeito Capital angeführt, unter Beteiligung der bestehenden Investoren. Die Finanzierung dient der weiteren klinischen Entwicklung des Antikörpers Visugromab.