Ein neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Forschende der Technischen Universität München (TUM) und des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben herausgefunden, wie Tumore die Immunantwort durch zytotoxische Zellen beeinflussen. Die im Fachmagazin „Nature” veröffentlichte Studienergebnissen liefern Ansatzpunkte für neue Krebs-Immuntherapien, und könnten bestehende Behandlungen effektiver machen.
Viele Tumore schütten Prostaglandin E2 aus. Sie verhindern damit aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Forschende der Technischen Universität München (TUM) und des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben den Mechanismus dahinter entschlüsselt und die Ergebnisse im Fachmagazin „Nature” veröffentlicht. Diese enthalten Ansatzpunkte für neue Krebs-Immuntherapien, und könnten bestehende Behandlungen effektiver machen.
Bei Krebserkrankungen bremsen Tumore oft die Immunabwehr des Körpers aus. Sie können beispielsweise dafür sorgen, dass Immunzellen Krebszellen nicht als Bedrohung wahrnehmen oder sie inaktivieren. Immuntherapien zielen darauf ab, diese Mechanismen auszuhebeln und das Immunsystem, insbesondere die T-Zellen, zu stimulieren. Bei einer großen Zahl an Betroffenen schlagen solche Therapien allerdings nicht an.
Botenstoff stoppt Weiterentwicklung von T-Zellen im Tumor
Ein Team um Dr. Jan Böttcher, Forschungsgruppenleiter am Institut für Molekulare Immunologie der TUM, und Prof. Sebastian Kobold, stellvertretender Direktor der Abteilung Klinische Pharmakologie am LMU Klinikum München m4 Award-Gewinner von 2019, hat jetzt herausgefunden, dass Tumore mit einem Botenstoff Immunzellen in einer frühen Phase der Immunantwort beeinflussen.
Viele Krebszellen schütten verstärkt den Botenstoff Prostaglandin E2 aus. Die Forschenden konnten nachweisen, dass Prostaglandin E2 an EP2 und EP4, zwei Rezeptoren auf der Oberfläche bestimmter Immunzellen bindet. Diese sogenannten stammzellartigen T-Zellen, wandern aus anderen Bereichen des Körpers in den Tumor. Bei einer erfolgreichen Immunantwort vermehren sie sich dort und entwickeln sich zu zytotoxischen T-Zellen weiter, die den Krebs attackieren.
„All das wird ausgebremst, wenn Tumore Prostaglandin E2 ausschütten und dieses an die Rezeptoren EP2 und EP4 bindet“, sagt Jan Böttcher. „Die T-Zell-Antwort kollabiert gewissermaßen und der Tumor kann ungehindert wachsen.“ Verhinderten die Forschenden in Tumormodellen die Interaktion von Botenstoff und Rezeptor, konnte das Immunsystem Tumore effektiv bekämpfen. Eine zweite Arbeit in „Nature” bestätigt die Erkenntnisse.
Therapien setzen an späterem Punkt der Immunantwort an
Damit sei ein Mechanismus entdeckt, der die Immunabwehr des Körpers in einer entscheidenden Phase beeinflusst. Die Tumore würden auf diese Weise verhindern, dass sich aus den stammzellartigen T-Zellen zytotoxische T-Zellen im Tumor bilden, die den Krebs attackieren könnten.
Aktuelle Immuntherapien setzen darauf, die Abschaltung von Immunantworten durch den Krebs erst an einem späteren Punkt der Immunantwort zu verhindern. Checkpoint-Inhibitor-Therapien haben beispielsweise zum Ziel, die Blockade von fertig ausdifferenzierten zytotoxischen T-Zellen zu lösen und diese wieder „scharfzuschalten“. Bevor die gefürchtete T-Zell-Erschöpfung einsetzt, die andere Forschende zu verhindern versuchen, müssen ebenfalls ausdifferenzierte T-Zellen vorhanden sein.
Effektivität bestehender Therapien lässt sich steigern
„Heutige Behandlungsansätze würden vermutlich effektiver, wenn die Auswirkungen des Prostaglandin E2 auf stammzellartigen T-Zellen blockiert würde, so dass sich diese sich ungehindert im Tumor ausdifferenzieren können“, sagt Sebastian Kobold.
Das gilt nicht zuletzt für Ansätze aus der jüngsten Vergangenheit, die darauf setzen, T-Zellen mit dem Protein IL-2 anzuregen. Die aktuelle Studie zeigt, dass T-Zellen sobald das Prostaglandin E2 an die beiden Rezeptoren bindet, nicht mehr auf IL-2 reagieren. „Wir vermuten, dass sogar körpereigene IL-2-Signale ausreichen können, um T-Zellen erfolgreich gegen Krebs vorgehen zu lassen, sobald die Auswirkungen des Prostaglandin-E2 gestoppt sind“, sagt Sebastian Kobold.
In „Nature“ ist eine zweite Forschungsarbeit erschienen, in der die Auswirkungen von Prostaglandin E2 auf das Immunsystem untersucht werden. Die Autor:innen des Artikels, Forschende des Universitätsklinikums Lausanne, kooperierten hierfür mit dem Münchner Team.