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Münchens Biotech-Unternehmen mischen auch 2021 in der deutschen Biotech-Szene kräftig mit

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Der Biotech-Höhenflug in Deutschland geht weiter – aber auf etwas niedrigerem Niveau. Laut aktuellem „Deutscher Biotechnologie-Report 2022“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY), sammelten die Unternehmen im vergangenen Jahr 2,4 Milliarden Euro ein – das zweitbeste Jahresergebnis aller Zeiten. Gegenüber 2019 stieg die Finanzierung damit um 170 Prozent. Der Höhenflug geht dabei insgesamt weiter, wenn auch leicht gebremst. Die bayrische Biotech-Branche, insbesondere Münchner Unternehmen und Start-ups mischen kräftig mit.

Aus der Perspektive der Biotech-Branche in Deutschland befände man sich laut "Deutscher Biotechnologie-Report 2022" von EY bereits in der Post COVID-19-Ära. Das würden die Kennzahlen zur Finanzierung belegen. Ein breites Spektrum an Indikationen, insgesamt größere Finanzierungsrunden und eine Tendenz zu mehr Partnerschaftsmodellen sind die besonderen Merkmale dieser Zeit.

Kapitalaufnahme von 2,4 Milliarden Euro: zweithöchster Wert aller Zeiten

Im Kampf gegen Corona zeigte die deutsche Biotech-Branche, was sie kann. Aber auch ohne die Ausnahmefinanzierungen für die Impfstoffentwicklung gegen COVID19 entwickeln sich die Unternehmen weiter und zeigen, dass sie zu den Innovationsmotoren Deutschlands gehören. Nach 2020, mit rund 3,1 Milliarden Euro dem Rekordjahr bei der Kapitalaufnahme, sammelten die Unternehmen im vergangenen Jahr 2,4 Milliarden Euro ein – das zweitbeste Jahresergebnis aller Zeiten. Gegenüber 2019 stieg die Finanzierung um 170 Prozent.

Höchste IPO-Kapitalaufnahme und breitere Risikokapitalfinanzierungen

2021 gab es die höchste jemals erreichte IPO-Kapitalaufnahme durch jeweils zwei Erst- und Zweitnotierungen an der NASDAQ: Vier Börsengänge brachten fast 700 Millionen Euro ein, was einem Anstieg von 52 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Evotec aus Hamburg mit Standort in Martinsried, steht mit 427 Millionen Euro Kapitalaufnahme an der Spitze der IPOs.

In der jüngeren Vergangenheit war das Gesamtvolumen der Risikokapitalfinanzierungen vorrangig durch großvolumige Ausnahmefinanzierungen geprägt (2020: CureVac, 2019 und 2018: BioNTech). Die Innovationskraft der deutschen Biotechbranche zeigte sich 2021 in bedeutenden Finanzierungsrunden und verzeichnete eine gleichmäßigere Verteilung des aufgebrachten Kapitals auf verschiedene Unternehmen in unterschiedlichsten Therapiegebieten. Die Krebstherapeutika-Entwickler iOmx Therapeutics aus Planegg erhielt eine Zweitrundenfinanzierung in Höhe von 65 Millionen Euro durch die Leadinvestoren Athos und MIG Capital. Weitere Serie B-Finanzierungen erhielten die Berliner T-knife (93 Millionen Euro) und die Hannoveraner Cardior Pharmaceuticals (64 Millionen Euro). Die fünf größten Finanzierungsrunden komplettieren atai Life Sciences aus Berlin (164 Millionen Euro) und Emergence Therapeutics aus Duisburg mit 87 Millionen Euro. Insgesamt war die Risikokapitalfinanzierung mit -15% niedriger als im Vorjahr, aber dennoch signifikant.

Münchner Biotech-Unternehmen unter vermehrt auftretenden deutschen Käufern

Werttreiber bei den Allianzen der deutschen Biotechs waren, wie auch schon in den vergangenen Jahren, innovative Technologieplattformen. Wie im Vorjahr gab es auch im Bereich Fusionen und Übernahmen einen Mega-Deal: Die MorphoSys AG aus Martinsried/Planegg übernahm für 1,41 Milliarden Euro das US-Unternehmen Constellation Pharmaceuticals. Als weitere deutsche Käufer traten BioNTech, Sartorius, Eckert & Ziegler und Brain Biotech auf. Die 2005 in Martinsried gegründete SIRION Biotech, Produzent von viralen Vektoren, wurde für 153 Mio. Euro von PerkinElmer für deren Erweiterung im Bereich viraler Vektortechnologie für die Zell- und Gentherapie übernommen. Vier weitere Deals, von insgesamt 21 Deals, lagen über der Marke von 100 Millionen Euro. Insgesamt stieg das Gesamtvolumen auf 2,06 Milliarden Euro – dem höchsten Wert seit Bestehen der Biotech-Branche.

München ist Hochburg bei Neugründungen

Für 2021 konnten 30 Neugründungen deutscher Biotech-Unternehmen identifiziert werden, gegenüber nur 19 Neugründungen im Vergleichszeitraum 2020. Wie im Vorjahr fällt bei den Neugründungen mit 53 % eine klare Dominanz bei den Therapeutika-Entwicklern auf, gefolgt von Firmen aus dem Service- (20 %) und Diagnostikbereich (13 %). Die regionale Verteilung der Neugründungen zeigte ein West-Ost- wie auch ein Süd-Nord-Gefälle, wobei Bayern mit zehn neuen Firmen (33 %) den Süden dominiert. Mit den sechs Neugründern Deoxy, Eximmium Biotechnologies, Neurevo, QOACompany/NxFoods, rnatics und Smartbax wuchs besonders die Hochburg München (inklusive Martinsried). Dies entspricht einem Anteil von über 20 % aller Gründungen.

Biotechnologie kann auch in der Bioökonomie

Angesichts ambitionierter Klimaziele und mit Blick auf Umweltverschmutzung durch Plastik und einen steigenden Bedarf an Nahrung rücken Biotech-Lösungen auch außerhalb des Medizinsektors in den Fokus der Aufmerksamkeit. Dies schlägt sich auch auf einzelne große Finanzierungsrunden auch bei Münchner Unternehmen nieder. Die Unternehmen AMSilk aus Pullach, das biotechnologisch Seide herstellt, schloss eine Finanzierungsrunde in Höhe von 29 Millionen Euro ab. Dem folgt die Origin.Bio mit 17 Millionen Euro. Das Planegger Unternehmen Startup für synthetische Biologie will Inhaltsstoffe aus traditionellen chemischen Industrieprozessen nachbilden und so Petrochemikalien ersetzen.

Fachkräftemangel: Kampf um Talente verstärkt sich

Um das Wachstum weiter zu sichern, ist die Branche auf qualifizierte Mitarbeitende angewiesen – doch auch in der Biotech-Branche zeigt sich: Der Fachkräftemangel wirkt sich als Wachstumsbremse aus. Zwar nahm die Anzahl der Beschäftigten bei den börsennotierten Biotechs um zwanzig Prozent zu, jedoch konkurrieren die Firmen nicht nur untereinander um die besten Talente, sondern auch mit anderen Branchen. Um diese zu gewinnen, müssten Arbeitgeber mit modernen, innovativen Angeboten herausstehen und die klügsten Köpfe mit individuellen Maßnahmen von sich und ihren Ideen überzeugen, so EY.