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Nasale Impfstoffe: Lebhafte Diskussion unter Experten im Livestream

Die Gesprächsrunde im Werk1 (v.l.n.r.): Jeanne Tyrczynski, Moderatorin, Prof. Reinhold Förster, Leiter des Instituts für Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover, Prof. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin an der München Klinik Schwabing, Dr. Thomas Frischmuth, CEO und CSO von baseclick und baseclick vaccine und Prof. Christian Bogdan, Institutsdirektor Mikrobiologisches Institut am Universitätsklinikum Erlangen/FAU Erlangen - Nürnberg und Mitglied der STIKO. © BioM

„Impfen über die Nase – bringen neue Hoffnungsträger die sterile Immunität?“ Über Vakzinierung mit nasalen Impfstoffen diskutierte Jeanne Turczynski, Wissenschaftsredakteurin, mit hochrangigen Experten aus Wissenschaft, Gesundheitswesen und Industrie. Konsens war: Es ist noch ein langer Weg, bis sogenannte Schleimhautimpfstoffe routinemäßig und wenn, dann nur ergänzend zu gängigen Impfungen, eingesetzt werden können.

Coronaviren verbreiten sich vor allem durch die Luft und gelangen in der Regel zunächst in Nase, Rachen und Lunge. Naheliegend ist daher der Ansatz, den Erreger bereits in den Schleimhäuten zu bekämpfen und im optimalen Falle eine Infektion von vorneherein zu vermeiden. Zahlreiche Forschergruppen arbeiten schon seit Beginn der Pandemie an nasalen Impfstoffen.

Den aktuellen Stand der Forschung diskutierten Prof. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin an der München Klinik Schwabing, Dr. Thomas Frischmuth, CEO und CSO von baseclick und baseclick vaccine, Prof. Reinhold Förster, Leiter des Instituts für Immunologie der Medizinischen Hochschule Hannover und Prof. Christian Bogdan, Institutsdirektor Mikrobiologisches Institut am Universitätsklinikum Erlangen/FAU Erlangen - Nürnberg und Mitglied der STIKO.

Grundsätzlich sei der Ansatz nasaler Impfstoffe, die eine Weitergabe der Infektion am Eintrittsort verhindern, hochinteressant und müsste wissenschaftlich bearbeitet werden. Entscheidende Vorteile wären: Sie sind leicht zu applizieren und daher von Laien anwendbar. Gemeinsamer Tenor der Experten ist jedoch, dass man von einem Produkt, das die notwendige, effiziente Wirksamkeit besitzt und eine entsprechende Immunantwort, geschweige denn sterile Immunität, hervorruft, noch weit entfernt ist.

In Zukunft denkbar sei aber die Nutzung nasaler Impfstoffe als Booster insbesondere in Kombination mit den gängigen, intramuskulär verabreichten Impfstoffen. Zum momentanen Zeitpunkt jedoch sei ein nasaler Corona-Impfstoff für „eine sterile Immunität eine Illusion“, so Prof. Wendtner.

Mehr Potential, insbesondere für andere Atemwegserkrankungen, wurde den inhalativen Impfstoffen zugeschrieben, die dediziert in der Lunge wirken sollen. Wichtig wäre es, Vakzine etwa gegen Influenza oder RSV zu entwickeln, die eine hoch effiziente Antwort gegen verschiedene Virusvarianten und ein Immungedächtnis ermöglichen.

Als große medizinische Herausforderung bei der Entwicklung nasaler/inhalativer Impfstoffe werden mögliche Nebenwirkungen aufgrund der Nähe des Geruchsorgans zum Gehirn gesehen. Bereits 2001 wurde ein nasaler Grippeimpfstoff eines Schweizer Pharmaunternehmens vom Markt genommen, nachdem Fälle von Gesichtslähmung bei Geimpften auftraten. Auch überschießende Immunreaktionen müssten berücksichtigt werden. Diese könnten aufgrund der großen Menge an Immunzellen in der Lunge auftreten, so die Experten.

Interessant sei auch der Einsatz von nasalen oder inhalativen mRNA-Impfstoffen in der Onkologie – sowohl präventiv als auch therapeutisch. Hier sieht Dr. Frischmuth großes Potential, denn „mRNA ist sehr spezifisch und schnell herzustellen. Dies würde es erlauben, Immunantworten bei Krebspatienten individualisiert zu stimulieren und eine notwendige T-Zell-Immunantwort hervorzurufen." So könnte man Krebszellen in Schach halten.

Und ein weiterer Aspekt wurde ins Feld geführt: die allgemeine Akzeptanz von Impfstoffen. Hier müsse noch viel Aufklärungsarbeit in der Gesellschaft geleistet, und Wissen darüber vermittelt werden, was ein Impfstoff genau macht. „Die Applikationsform ist hier nicht der ausschlaggebende Punkt“ findet Prof. Bogdan.

Fazit der Experten: Es ist noch ein langer Weg, bis sogenannte Schleimhautimpfstoffe routinemäßig für die erforderliche Immunität eingesetzt werden können. Die Vision wäre zudem: Impfstoffe, die breiter und spezifischer sind, eine entsprechende Immunantwort auslösen und darüber hinaus auch noch haltbar sind. „Wir werden einen Mix haben, der breit aber auch spezifisch ist“, so Prof. Förster. Letztendlich wird es wohl eine Mischung an intramuskulären Impfstoffen, Nasensprays und Inhalationen geben.

Die #8 Folge des FORUM Science & Health - live aus dem WERK1 ist auch noch im Nachgang unter: https://www.youtube.com/watch?v=09h3nB3RNZE zu sehen.

Der nächste Livestream aus dieser Reihe ist für den 10. März 2023 geplant.