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Parkinson: TUM-Forschende zeigen Therapiewechsel für „Austherapierte“ oft erfolgreich

Ein Team um Prof. Paul Lingor hat Daten aus 22 deutschen Parkinson-Zentren untersucht. Das Ergebnis: Obwohl mehrere Optionen für Therapien im Spätstadium der Erkrankung existieren, wird selten mehr als eine angewandt - dabei profitieren Betroffene oft davon. © Klinikum rechts der Isar/Thomas Einberger

Eine Studie unter der Leitung von Forschenden der Technischen Universität München (TUM) zeigt nun, dass auch vermeintlich hoffnungslose Fälle noch von einem Therapiewechsel profitieren können. Bislang wird diese Option aber nur sehr selten genutzt, obwohl mehrere Optionen für Therapien im Spätstadium der Erkrankung existieren. Es wird jedoch selten mehr als eine angewandt.

Parkinson ist nach Alzheimer weltweit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Bislang ist die Erkrankung nicht heilbar, es können lediglich die Symptome behandelt werden. In einem frühen Stadium lassen sich die Beschwerden meist durch Tabletten lindern. Schreitet die Krankheit fort, reicht dies häufig nicht mehr aus und es kommen Therapien zum Einsatz, die beispielsweise Operationen am Gehirn erfordern.

Invasive Therapien wie Tiefe Hirnstimulation, bei der analog zu einem Herzschrittmacher Elektroden ins Gehirn implantiert werden, oder die neue Pumptherapien mit automatisierter Wirkstoffgabe in die Bauchdecke, haben nicht immer den gewünschten Erfolg oder verlieren mit der Zeit ihre Wirksamkeit. Ist dies der Fall, scheuen Behandelnde und Erkrankte häufig davor zurück, eine andere invasive Therapie auszuprobieren oder die vorhandene Therapie mit einer zweiten zu kombinieren. Die Betroffenen gelten oft als austherapiert, was schwerwiegende Folgen für ihre Lebensqualität und Lebenserwartung haben kann.

Daten aus 22 Zentren: Therapiewechsel oft erfolgreich

Eine Studie eines Teams um Prof. Paul Lingor, Co-Leiter der Parkinson-Ambulanz am Klinikum rechts der Isar der TUM, gibt diesen Menschen jetzt neue Hoffnung. Die Forschenden haben Daten aus 22 Behandlungszentren des Kompetenznetzes Parkinson aus ganz Deutschland zusammengetragen, die einen Zeitraum von 2005 bis 2021 umfassen.

„Unter etwa 11.000 Menschen, die dort im Studienzeitraum mit fortgeschrittenen Therapien eingestellt wurden, konnten wir nur 116 identifizieren, bei denen eine fortgeschrittene Therapie ausgetauscht oder mit einer weiteren kombiniert wurde“, fasst Erstautor Dr. Dominik Pürner zusammen.

Da auf einige Personen mehrere Therapiewechsel entfielen, konnten insgesamt 148 Fälle analysiert werden. Die Bewertung der Daten zeigte, dass die meisten der Eingriffe offenbar erfolgreich waren. Beispielsweise beschrieben Behandelnde und Betroffene eine subjektive Verbesserung der Beweglichkeit, die sich auch in objektiven Tests widerspiegelte. Die Ergebnisse der Studie ermöglichen nun klare Handlungsempfehlungen.

Deutschlandweites Register geplant

Bislang werden Therapiewechsel in Deutschland und anderen Ländern kaum in Studien erfasst. Aus Sicht der Forschenden verbessert die aktuelle Studie die Datenlage deutlich. Sie erlaube es unter anderem genauer anzuschauen, welche Gruppe von Betroffenen von welcher Strategie am meisten profitiere. Dies ermögliche, die Wahl des Therapiewechsels auf die vorherrschenden Beschwerden abzustimmen.

Zukünftig möchten die Forschenden ein deutschlandweites Register anlegen, in das systematisch alle Parkinson-Patient:innen mit gerätegestützten Therapien aufgenommen werden sollen, um wissenschaftlich fundierte Leitlinien für die Kombination fortgeschrittener Therapien zu entwickeln.

Publikation: „Nationwide Retrospective Analysis of Combinations of Advanced Therapies in Patients With Parkinson Disease“ Neurology (2023). DOI: 10.1212/WNL.0000000000207858