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Deutschland fällt als Innovationsstandort für Pharmaunternehmen zurück

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Laut der aktuellen Studie von vfa und Kearney fällt Deutschland als Innovationsstandort für Pharmaunternehmen zurück. Wenn jetzt nicht entschieden gehandelt werde, drohe für bis zu 40 % der Patienten bis 2030 der Verlust des frühen Zugangs zu innovativen Therapieoptionen durch die Teilnahme an klinischen Studien. Für eine Trendumkehr zeigen die Verfasser konkrete Maßnahmen zur Stärkung des Innovationsstandortes Deutschland auf.

Die internationale Unternehmensberatung Kearney und der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen vfa haben in der gemeinsamen Studie „Pharma-Innovationsstandort Deutschland“ Gründe für diese Entwicklung identifiziert – darunter große Handicaps für klinische Studien und den Zugang zu Gesundheitsdaten.

Der internationale Wettbewerb unter pharmazeutischen Unternehmen um die Marktzulassung ihrer innovativen Therapien hat zugenommen. Standortpolitische Rahmenbedingungen werden kritisch begutachtet, um Investitionsmittel bestmöglich einzusetzen. Laut den Studienverfassern ist Deutschland für diesen Wettbewerb eigentlich gut aufgestellt, verliert jedoch seit einigen Jahren dramatisch an Boden – sowohl im weltweiten, als auch im europäischen Vergleich. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) von Anfang 2023 und das geplante EU Pharma-Paket belasten die Attraktivität des Standorts Deutschland für Investitionen von forschenden Pharmaunternehmen zusätzlich.

In ihrer gemeinsamen Studie zeigen der vfa und Kearney, unter anderem, wie sich Deutschland von Ländern wie Spanien oder Dänemark den Rang als Studienstandort in Europa abjagen lässt, weil die Studiendurchführung hierzulande so heruntergebremst wird, dass sich Unternehmen wie auch Forschungseinrichtungen für die Medikamentenerprobung andernorts umsehen. Dies kann bedeuten, dass im Jahr 2030 bis zu 40 Prozent weniger Patienten als heute an Studien teilnehmen und so noch vor Zulassung einen frühen Zugang zu innovativen Therapieoptionen haben können.

Sieben Handlungsempfehlungen

Doch noch lasse sich das abwenden. Die Stärkung des Innovationsstandorts kann gelingen, wenn Forschung wieder in konkurrenzfähigem Tempo durchgeführt werden kann, Unternehmen besseren Zugang zu medizinischen Forschungs- und Patientendaten erhalten und das Ökosystem für Translation von Grundlagenerkenntnissen in Präventions- und Therapieoptionen gestärkt wird. Entlang dieser drei Handlungsfelder formuliert die Studie sieben Handlungsempfehlungen, die angegangen werden sollten, um den Innovationsstandort Deutschland zu stärken:

1. Bürokratie bei Studiengenehmigungen systematisch abbauen

2. Vertragsgestaltung zwischen medizinischen Einrichtungen und Studiensponsoren vereinfachen

3. Studiendurchführung durch mehr Fachkräfte und verbesserte Patientenrekrutierung beschleunigen

4. Internationalen Beitrag zur Erfassung von medizinischen Forschungsdaten leisten

5. Datenzugang für industrielle Forschung ermöglichen und vereinfachen

6. Exzellenz in der Wissenschaft fördern

7. Netzwerkbildung und Translationsfokus stärken

Entlang der sieben Handlungsempfehlungen schlagen die Studienverfasser 22 Einzelmaßnahmen vor. Für die Umsetzung empfehlen die Autoren u. a. einen Roundtable „Pharma-Innovationsstandort Deutschland“ unter Koordination des Bundeskanzleramtes oder des Bundesgesundheitsministeriums.

Marc P. Philipp, Partner und Geschäftsführer bei Kearney verdeutlicht, wie wichtig die Durchführung von klinischen Studien in Deutschland für den Standort ist. Deutschland riskiere als Land für Studienmitwirkung an Bedeutung für global agierende Pharmaunternehmen zu verlieren. Es sei sogar zu befürchten, „dass Deutschland bei der Studienvergabe künftig gar nicht mehr berücksichtigt wird, da internationale Firmen vor allem dort Studien platzieren, wo Produkte auch eingeführt werden − eine fatale Abwärtsspirale.“

Laut Dr. Matthias Meergans, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung des vfa, könne die Stärkung des Innovationsstandorts gelingen, „wenn Forschung wieder in konkurrenzfähigem Tempo ablaufen kann, Unternehmen und Universitäten besseren Zugang zu pseudonymisierten medizinischen Versorgungsdaten erhalten und das Ökosystem für Translation von Grundlagenforschung in Behandlungsmöglichkeiten für Patienten gestärkt wird“.

Andere Länder als Vorbild

Ein Blick auf andere Länder sei lohnend. So haben Frankreich und Spanien durch gezielte Maßnahmen bezüglich Vertragsverhandlungen oder Vor-Ort-Ressourcen erfolgreich die Bedingungen für klinische Forschung verbessert. Andere Länder wie Dänemark ermöglichen innovative Studienmodelle und motivieren Patienten zur Teilnahme an Studien. Schon die verbindliche Einführung von Musterverträgen als Ausgangspunkt für Vertragsverhandlungen zwischen Pharmaunternehmen und Kliniken nach französischem Vorbild könnte in Deutschland viel bewirken.

Bayern geht mit einheitlichem Vertragsmuster für die Onkologie voran

Ein einheitliches Vertragsmuster wie es in Bayern im Bereich der Onkologie seit kurzem zur Verfügung steht, könnte hier ein Anfang sein. Die sieben pharmazeutischen Unternehmen Novartis, MSD, Servier, Ipsen, Amgen, BMS und Roche mit dem Bayerischen Zentrum für Krebsforschung (BZKF) einschließlich aller sechs bayerischen Universitätsklinika ein einheitliches Vertragsmuster für klinische Studien in der Onkologie vereinbart. Ziel des abgestimmten Vertragsmusters ist die Beschleunigung des Set-ups klinischer Studien und damit die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit Bayerns als Forschungsstandort.

Dieses Vertragsmuster kann nun genutz werden: Einheitliches Vertragsmuster für klinische Studien in der Onkologie. Auf der Internetseite des BZKF wird der gültige Vertrag hinterlegt werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen.