Am 19. April 2023 hatte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek zum Bayerischen Pharmagipfel nach Berlin eingeladen und Maßnahmen zur Sicherung der Arzneimittelversorgung in Deutschland empfohlen. Dabei wurde unter anderem auch eine gemeinsame Erklärung des Gipfels zu den Auswirkungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes auf die Arzneimittelversorgung und den Pharma- und Forschungsstandort Deutschland vorgestellt.
Der Bayerische Pharmagipfel findet in enger Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie statt. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek und die Ende 2022 angesichts der Lieferengpässe einberufene bayerische Taskforce Arzneimittelversorgung forderten in einer gemeinsamen Erklärung mit Vertretern der Ärzteschaft, der Apotheken, der Pharmaunternehmen und des Großhandels von der Bundesregierung mehr Einsatz gegen Lieferprobleme bei Arzneimitteln. Darauf hatte man sich bereits auch im Januar beim „Expertendialog Arzneimittel“ am 31. Januar 2023 in München verständigt.
Das GKV-FinStG und die Weiterentwicklung des Gesetzes zur Nutzenbewertung und Preisfindung bei neuen Medikamenten (AMNOG) sehen Neuregelungen vor, die unter anderem einen erhöhten Herstellerabschlag für patentgeschützte Arzneimittel, die Verkürzung der freien Preisfestsetzung von neu zugelassenen Arzneimitteln auf sieben Monate sowie die Senkung der Umsatzschwelle für Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen für die Nutzenbewertung von 50 auf 30 Millionen Euro beinhalten. Die neuen gesetzlichen Regelungen nähren die Befürchtungen der Industrie, im internationalen Wettbewerb weiter zurückzufallen. Diese sieht als Folgen weniger Arzneimittel und die bereits jetzt zu spürenden Auswirkungen von massivem Kostendruck, Kürzungsprogrammen und Rabatten: Versorgungsengpässe, wie sie bereits bei Kinder-Arzneimitteln, Antibiotika und Krebsmedikamenten entstanden sind.
In verschiedenen Arbeitsgruppen wurden daher in den vergangenen Monaten konkrete Vorschläge erarbeitet, wie zum Beispiel die Attraktivität des Pharma- und Produktionsstandort Deutschland gestärkt werden kann: Um die Arzneimittelversorgung zu gewährleisten, bedürfe es an Forschung und Entwicklung sowie Produktion in Deutschland und Europa. Dafür dürfe die Preisspirale für innovative Arzneimittel nicht weiter nach unten gehen, der erhöhte Herstellerrabatt müsse fristgerecht zum Jahresende auslaufen und ein zeitnaher Inflationsausgleich stattfinden.
Die Task-Force Arzneimittelversorgung schlägt (mit Ausnahme der gesetzlichen Krankenkassen) zu den folgenden vier Punkten Maßnahmen vor und fordert den Bund und die EU zur raschen Umsetzung auf:
• Rahmenbedingungen für Arzneimittelversorgung verbessern
• Versorgung durch Vorhaltemaßnahmen für wichtige Arzneimittel sichern
• Liefer- und Versorgungsengpässe durch Transparenz und wirksame Frühwarnsysteme frühzeitig erkennen
• Bei Liefer- und Versorgungsengpässen pragmatische Verfahren ermöglichen
Holetschek betonte anlässlich der Veröffentlichung des Papiers: „Ich habe die Taskforce Arzneimittelversorgung Ende 2022 einberufen, um Maßnahmen für eine stabile und verlässliche Arzneimittelversorgung zu entwickeln. Nun haben wir vier zentrale Handlungsfelder und Vorschläge erarbeitet und rufen die Bundesregierung und die Europäische Union auf, unsere Vorschläge rasch umzusetzen. Der Referentenentwurf für das Gesetz zur Bekämpfung von Arzneimittellieferengpässen enthält leider nur punktuelle Maßnahmen. Notwendig ist aber ein Konzept mit pragmatischen und unbürokratischen Lösungen zur Bekämpfung von Liefer- und Versorgungsengpässen. Die gemeinsame Erklärung schlägt ein solch umfassendes Konzept vor.“
Erste richtige Schritte hätte die Bundesregierung mit einem kürzlich vorgelegten Gesetzentwurf bereits getan, diese würden aber noch nicht ausreichen. Mehr Pragmatismus und weniger Bürokratie seien gefragt und Verfahrenserleichterungen für Ärzte und Apotheken.
In einem Impulsvortrag von Gabriele Overwiening der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und in der anschließenden Podiumsdiskussion mit Vertretern der deutschen Pharmabranche - Heinrich Moisa von Novartis Pharma Deutschland, Oliver Kirst von Servier Deutschland und Wolfgang Späth von Hexal – wurden die verschiedenen Möglichkeiten diskutiert. Heinrich Moisa, Vorsitzender der Geschäftsleitung Novartis Deutschland, betonte die Wichtigkeit der Pharmabranche als Schlüsselindustrie für Deutschland. Deren Potential könne nur genutzt werden, wenn Gesundheits-, Wirtschafts- und Forschungspolitik konsequent zusammengedacht würden.
Ein weiterer wichtiger Baustein für eine effiziente Versorgung der Bevölkerung mit innovativen Arzneimitteln sind klinische Studien. Die Arbeitsgruppe unter Federführung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums und BioM hat dazu in Kooperation mit dem Gesundheits- und dem Wissenschaftsministerium Bayerns in einem Positionspapier Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen identifiziert, um Deutschland wieder zu einem führenden Studienstandort zu machen. Es müsse hier in Deutschland zügig nachgearbeitet werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben: mit mehr Tempo, durch straffere Strukturen und Prozesse, Bürokratieabbau und dem Einsatz digitaler Instrumente.
Mehr zum Thema:
Der Forum Science & Health Livetalk #9 von BioM diskutiert ebenfallsüber dieses Thema: „Es wird knapp - wie sichern wir unsere Arzneimittelversorgung“.